Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 24.04.2003; Aktenzeichen 214 C 574/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.06.2004; Aktenzeichen IV ZR 257/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. April 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – Gesch.-Z.: 214 C 574/02 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung zwar ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO, da die Parteien über das Bestehen einer konkreten Leistungspflicht streiten.

Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Denn die Klausel in Teil II: § 1 Nr. 1 Abs. 3 TB/KK 99, „Aufwendungen für Psychotherapie werden bis zu 30 Sitzungen je Kalenderjahr im tariflichen Umfang erstattet”, ist – wie das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat – wirksam. Die Klausel benachteiligt die Klägerin insbesondere nicht unangemessen i.S.v. § 9 AGBG bzw. § 307 BGB (so im Ergebnis z.B. auch OLG Karlsruhe r+s 1999, 292 [wirksame Leistungsbeschränkung für ambulante psychotherapeutische Behandlungen auf jährlich 30 Sitzungen], OLG Oldenburg VersR 2002, 696 [wirksame Leistungsbeschränkung auf jährlich 30 Sitzungen für psychotherapeutische Behandlungen]; OLG Köln VersR 2003, 899 [wirksame Beschränkung auf 20 Sitzungen pro Kalenderjahr für psychotherapeutische Behandlungen]; OLG München, VerBAV 2001, 141 und LG München VersR 2001, 1505 (unwirksame Beschränkung auf Kostenerstattung i.H.v. 2.500,– DM pro Geschäftsjahr für psychotherapeutische Behandlungen)). Vor allem höhlt die Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten auf 30 Therapiesitzungen im Jahr den Versicherungsschutz der Klägerin nicht aus und gefährdet auch nicht von vornherein den Vertragszweck (vgl. grundlegend dazu BGH VersR 1999, 745, der die in einer privaten Krankenversicherung enthaltene Tarifbedingung, nach der Leistungen des Versicherers für psychotherapeutische Behandlungen auf 30 Sitzungen oder 30 stationäre Behandlungstage während der gesamten Vertragsdauer beschränkt werden, wegen einer so wesentlichen Beschränkung der Rechte des VN, dass die Erreichung des Vertragszwecks i.S.v. § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG gefährdet ist, für unwirksam erklärte.). Denn die Klausel belässt in jedem Fall einen Kernbereich des Versicherungsschutzes für psychotherapeutische Behandlungen, der die Abdeckung des durchschnittlichen Kostenrisikos durch medizinisch notwendige psychotherapeutische Behandlungen gewährleistet.

Wie das OLG Köln a.a.O. zu Recht festgestellt hat, geht es hierbei vorrangig um Fragen, deren Klärung medizinischer Fachkompetenz bedarf. Zu diesem Zwecke hat die Kammer die in dem Verfahren des Landgerichts Berlin 7 O 120/00, Gesch.-Z.: bzw. des Kammergerichts, Gesch.-Z.: 6 U 99/03 eingeholten bzw. eingeführten Sachverständigengutachten … vom 15. April 2002 und Dr. Frank Sandlos vom 30. August 2002 beigezogen. Danach sind im Ergebnis im Normalfall etwa zwei Drittel der möglichen Behandlungen bei einer Leistungsbeschränkung auf jährlich 30 Sitzungen abgedeckt. Im einzelnen:

Bei der psychotherapeutischen Behandlung ist zunächst zwischen Kurzzeit- und Langzeittherapie zu unterscheiden: Die Kurzzeittherapie umfasst – unabhängig vom Therapieverfahren – einen Behandlungsumfang bis 25 Stunden, die Langzeittherapie einen darüber hinausgehenden (S. 5 Gutachten Dr. Perchalla). Damit ist die Kurzzeittherapie bei einer Leistungsbeschränkung auf 30 Sitzungen jährlich in jedem Fall voll abgedeckt.

Bei der Langzeittherapie ist in den sog. Psychotherapie-Richtlinien bei einer Normaltherapie – also im „Normalfall” – folgender Leistungsumfang anerkannt (S. 7 Gutachten …)

I.

tiefenpsychologisch fundierte

II.

Psychotherapie =

50 Stunden

III.

analytische Psychotherapie =

160 Stunden

IV.

Verhaltenstherapie =

45 Stunden.

Dieser Leistungsumfang lässt aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungswerte regelmäßig einen Behandlungserfolg erwarten (S. 8 Gutachten …). Für das Verhältnis der einzelnen Psychotherapien zueinander gilt folgendes: Nach dem Gutachten … (S. 10) wurden in Berlin – als hinreichend aussagekräftiger Bezugsgröße – im Jahre 2000 insges. 941.780 Psychotherapie-Leistungen erbracht:

I.

Kurzzeittherapie insges.:

311.195 = 33 %

II.

Langzeittherapie insges.:

630.585 = 67 %

III.

Langzeittherapie im einzelnen:

– Tiefenpsycholog. Langzeittherapie:

187.680 = 20 %

– Psychoanalyse:

324.361 = 34 %

– Verhaltenstherapie:

118.544 = 13 %

Damit sind zunächst also etwa 33 % der gesamten psychotherapeutischen Leistungen in Form der Kurzzeittherapie bei einer Leistungsbegrenzung a...

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