Verfahrensgang

AG Berlin-Mitte (Entscheidung vom 18.02.2003; Aktenzeichen 106 C 3486/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Februar 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte - 106 C 3486/02 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 2.074,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 74,28 Euro seit dem 01. Juni 2002, aus einem weiteren Teilbetrag von 2.000,- Euro für den Zeitraum vom 07. März 2002 bis zum 27. März 2003 und aus 1.000,- Euro seit dem 27. März 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 55 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 45 % zu tragen.

Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 70 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 30 % zu tragen.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §313 a ZPO i.V.m. §540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache zumindest teilweise Erfolg. Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldnern insgesamt 2.074,28 Euro - 74,28 Euro Schadensersatz und 2.000,- Euro Schmerzensgeld - wegen des Unfalls vom 20. September 2001 im Einmündungsbereich Landsberger Allee/Hausburger Straße in Berlin-Friedrichshain verlangen. Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Da ein Radfahrer, der sich auf einer Vorfahrtsstraße befindet, sein Vorfahrtsrecht gegenüber einem aus einer wartepflichtigen Straße kommenden Verkehrsteilnehmer auch dann nicht verliert, wenn dieser den linken von zwei vorhandenen Radwegen benutzt (vgl. OLGR Celle 2001, 224-225), ist vorliegend nach den Regeln über den Beweis des ersten Anscheins davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1. den Unfall durch einen zumindest fahrlässig herbeigeführten Verstoß gegen §8 Abs. 1 Nr. 1 StVO in Verbindung mit dem Zeichen 205 verschuldet hat. Somit würde dieser grundsätzlich allein in voller Höhe haften, wenn nicht ein erhebliches Mitverschulden des Klägers vorliegt. Dies ist hier der Fall, da der Kläger unstreitig entgegen §2 Abs. 4 Satz 2 StVO den entgegengesetzten Fahrradweg benutzt hat. Das Mitverschulden des Klägers, dass er sich gemäß §9 StVG in Verbindung mit §254 BGB anrechnen lassen muss, beträgt ein Drittel. Die Haftungsquote zwischen einem Autofahrer, der in eine Vorfahrtsstraße abbiegt und dabei mit einem Fahrradfahrer zusammenstößt, der verbotswidrig in falscher Richtung fährt, ist mit einem Drittel zu zwei Drittem zum Nachteil des Autofahrers zu bemessen (OLG Hamm NZV 1997, 123;). Für ein Abweichen von dieser Regelhaftung ist vorliegend kein Anlass gegeben. Die Sichtverhältnisse waren - unabhängig davon, dass die Einzelheiten dazu streitig sind - für beide Seiten gleich. Wenn die Einmündung so gut einsehbar gewesen ist, wie der Kläger behauptet, dann hätte er seinerseits das Fahrzeug des Beklagten zu 1. ebenfalls rechtzeitig wahrnehmen können und hätte seine Geschwindigkeit so weit herabsetzen müssen, dass er notfalls noch rechtzeitig hätte anhalten können, da ein Radfahrer, der verbotswidrig den linken Radweg auf der Vorfahrtstraße befährt, in Rechnung stellen muss, dass Kraftfahrer beim Einbiegen in eine Vorfahrtsstraße häufig nicht mit für sie von rechts kommenden Radfahrern rechnen (vgl. OLG Hamm DAR 1996, 322). Wenn andererseits die Sicht für den Beklagten zu 1. nach rechts derart eingeschränkt gewesen ist, wie die Beklagten behaupten, dann hätte sich, der Beklagte zu 1. nur unter äußerster Vorsicht und mit weniger als Schrittgeschwindigkeit vortasten dürfen, da Kraftfahrer grundsätzlich mit Radfahrern rechnen müssen, die den Radweg unberechtigterweise - für ihn von rechts kommend - in Gegenrichtung befahren (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte zu 1. vor der Kollision zunächst in der Einmündung angehalten hat. Denn wegen des unstreitig vorhandenen regen Fahrzeugverkehrs auf der Landsberger Allee konnte der Kläger aus dem Anhalten keinesfalls schließen, dass ihn der Beklagte zu 1. bemerkt und seinetwegen angehalten hat, vielmehr musste er davon ausgehen, dass der Beklagte zu 1. in erster Linie wegen des auf der Landsberger Allee befindlichen Fließverkehrs anhielt und deshalb mit dem Abbiegen gewartet hat. Ebensowenig führt die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei ca. 30 km/h und somit viel zu schnell gefahren, zu einer höheren Haftung des Klägers, da er - die Geschwindigkeit als wahr unterstellt - dadurch die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten hätte, so dass darin kein eigenständiger Verkehrsverstoß läge. Zu der grundsätzlichen Sorgfaltspflicht des Klägers gelten die obigen Ausführungen.

Die festgestellte Alkoholisierung des Beklagten zu 1. von 0,22 Promille hat bei der Haftungsverteilung ausser Betracht zu bleiben, weil nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorge...

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