Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Entscheidung vom 13.07.2012; Aktenzeichen 16 C 149/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 13. Juli 2012 - 16 C 149/12 - abgeändert und der Antragsgegnerin aufgegeben, die Bauarbeiten am Balkon der von der Antragstellerin innegehaltenen Wohnung xxx , 3. OG rechts, einzustellen.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, insgesamt von höchstens zwei Jahren, angedroht. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens sowie - unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens werden festgesetzt auf jeweils bis 600,00 EUR.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Unterlassung von Instandsetzungsmaßnahmen im Wege der einstweiligen Verfügung. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da es sich bei den streitgegenständlichen Maßnahmen um solche im Sinne von § 554 Abs. 1 BGB handele, die vom Mieter grundsätzlich zu dulden seien. Der daraufhin erhobenen sofortigen Beschwerde der Antragstellerin hat es nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Fortsetzung der streitgegenständlichen Instandsetzungsmaßnahmen gemäß § 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB zu.

Der Antragsteller ist gemäß § 862 Abs. 1 BGB in seinem Besitz an der streitgegenständlichen Wohnung durch die von der Antragsgegnerin im Hause veranlassten Baumaßnahmen an seinem Balkon gestört; ausreichend sind insoweit bereits nicht lediglich unerhebliche Lärm-, Geruchs- und Staubimmissionen oder sonstige nicht lediglich unwesentlichen Gebrauchsbeeinträchtigungen (Kammer, Beschl. v. 12. März 2012 - 63 T 29/12, WuM 2012, 213; Bassenge, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 862 Rz. 3 m.w.N.). Solchen ist der Antragsteller - anders als der im Verfahren LG Berlin - 63 T 69/12 - betroffene Mieter - ausweislich seines substantiiert dargetanen und gemäß §§ 936, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemachten Vorbringens mittlerweile ausgesetzt. Denn die Antragsgegnerin hat nicht nur die Blechabdeckungen der Balkonbrüstung abmontieren lassen, sondern beabsichtigt darüber hinaus auch den Abbruch der vorhandenen Brüstung und des seitlichen Wandstücks.

Dem Anspruch des Antragstellers steht nicht die Erwägung des Amtsgerichts entgegen, der Antragsteller sei gemäß § 554 Abs. 1 BGB zur Duldung der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen verpflichtet. Denn insoweit handelt es sich um eine gemäß § 863 BGB bereits grundsätzlich unbeachtliche petitorische Einwendung (vgl. Bund, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 863 Rz. 3). Beachtlich wäre allein die - nicht erhobene - Einwendung der Antragsgegnerin gewesen, die Antragstellerin sei mit den Maßnahmen einverstanden oder letztere beruhten auf einer gesetzlichen Gestattung (Bassenge, a.a.O., Rz. 3 m.w.N.).

Davon ausgehend ist die Frage, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang der Antragsteller zur Duldung der bereits begonnenen Maßnahmen gemäß § 554 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, im - von der Antragsgegnerin bereits angestrengten und auf Duldung gerichteten - Hauptsacheverfahren zu klären. Bis zur Erwirkung eines zumindest vorläufig vollstreckbaren Duldungstitels jedoch hat die Antragsgegnerin die Fortsetzung der streitgegenständlichen Maßnahmen zu unterlassen.

Dem Antragsteller steht auch ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935 ff, 920 Abs. 2 ZPO zur Seite. Ein solcher ergibt sich bereits aus der Natur des beantragten Unterlassungsanspruchs, da eine verbotene Eigenmacht den Verfügungsgrund auch ohne gesonderten Vortrag des Antragstellers stets indiziert und eine besondere Dringlichkeit nicht erforderlich ist (Kammer, a.a.O.; Vollkommer, a.a.O., § 940 Rz. 8 "Herausgabe und Sequestration, Räumung und Besitzschutz" m.w.N).

Die Ordnungsmittelandrohung beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung aus den §§ 53 Abs.1 Nr. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, 3 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 4010753

ZMR 2013, 113

WuM 2012, 554

Info M 2013, 192

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