Verfahrensgang

AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 21.02.1992; Aktenzeichen 11 C 242/91)

AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 13.01.1992; Aktenzeichen 11 C 242/91)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Neukölln vom 13. Januar 1992 – 11 C 242/91 – wird der Beklagten Prozeßkostenhilfe für die I. Instanz bewilligt.

2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts Neukölln vom 21. Februar 1992 – 11 C 242/91 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.600,– DM bis 1.800,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Zurückweisung ihres Prozeßkostenhilfegesuchs durch Beschluß vom 13. Januar 1992 ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft, denn das Amtsgericht hat erst nach Abschluß des Verfahrens in erster Instanz über das Prozeßkostenhilfegesuch entschieden.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Zwar befand sich die Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung auch unter Berücksichtigung der von den Klägern bestrittenen weiteren Zahlung vom 28. Februar 1991 in Höhe von 406,20 DM – die Beklagte behauptet insgesamt 812,40 DM gezahlt zu haben, von denen die Kläger 406,20 DM akzeptieren – in einem die fristlose Kündigung rechtfertigenden Zahlungsrückstand (§ 554 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB).

Denn mangels Zahlungsbestimmung der Beklagten durften die Kläger die Mietzinszahlungen der Beklagten auf die jeweils älteste Schuld (§ 366 Abs. 2 BGB) verrechnen. Im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung waren deshalb – auch bei Berücksichtigung einer Zahlung von insgesamt 812,40 DM im Februar 1991 die Miete für April in Höhe von 377,90 DM und für Mai 1991 in voller Höhe offen.

Dennoch hätte das Amtsgericht der Beklagten Prozeßkostenhilfe gewähren müssen; denn über die behauptete Zahlung von 812,40 DM im Februar 1991 war Beweis zu erheben. Denn die Beklagte hat unstreitig am 24. Juli 1991 einen Betrag von 1.218,60 DM auf das Konto der Kläger eingezahlt. Diese Zahlung erfolgte entgegen der Ansicht des Amtsgerichts rechtzeitig innerhalb der Schonfrist des § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB, die nach Zustellung der Klage am 24. Juni 1991 begann und erst am, 24. Juli 1991 ablief (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 1. Alternative BGB).

Zwar enthält der Mietvertrag in § 4 Nr. 1 die formularmäßige Regelung, daß es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung nicht auf die Absendung, sondern auf die Ankunft des Geldes ankommt.

Diese sogenannte Rechtzeitigkeitsklausel ist zulässig (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Miete, 5. Aufl. 1980, § 554 BGB Rdnr. 13; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. Aufl. 1988, Anm. B 158; Beschluß der Kammer vom 23. Juli 1991 – 64 S 147/91 – GE 1991, 935; Urteil der Zivilkammer 67 vom 4.11.1991 – 67 S 281/91 – MM 1992, 101 – jeweils m.w.N.).

Diese Rechtzeitigkeitsklausel bezieht sich aber ihrem Wortlaut und ihrer Stellung nach nur auf die laufenden Mietzinszahlungen, nicht auf die Tilgung der Mietzinsrückstände innerhalb der Schonfrist des § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB (so auch Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, IV 419). Schon deshalb bestehen Bedenken gegen die Anwendung der Rechtzeitigkeitsklausel auch auf die zur Anwendung der Kündigungsfolgen gerichtete Nachzahlung des Mietrückstandes und der laufenden Mietzinsen. Im übrigen ist die Anwendung der Rechtzeitigkeitsklausel ohne dahingehende Klarstellung in der Klausel selbst mit dem Rechtsgedanken des § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vereinbar. Die Vorschrift will dem Mieter die Möglichkeit gewähren, die in der Auslösung des Kündigungsrechts bestehende Folge seines Leistungsverzugs dadurch zu beseitigen, daß er die ihm zur Herbeiführung der Befriedigung des Vermieters obliegende Leistung nachholt. Nicht die Schuldtilgung durch Eingang der Zahlung auf dem Konto des Vermieters, sondern lediglich die Vornahme der Erfüllungshandlung ist es demnach, an welche die Beseitigung der Kündigungswirkungen geknüpft ist (so schon RGZ 99, 257, 258; Staudinger/Emmerich, 2. Bearbeitung 1981, § 554 BGB, Rdnr. 27 b; Soergel/Kummer, BGB, 12. Aufl., § 554 Rdnr. 10; Erman/Schopp, Handkommentar zum BGB, 8. Aufl. 1989, § 554 BGB Rdnr. 11; Palandt/Putzo, 51. Aufl. 1992, § 554 BGB Rdnr. 9, 13).

Der Ansicht, daß es für die Heilung der Kündigungswirkung gem. § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eingang der Zahlung auf dem Konto des Vermieters ankommt (AG Tiergarten GE 1987, 883 m.w.N.), vermag sich die Kammer wegen des besonderen Schutzzweckes des § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht anzuschließen.

Dieser Schutzzweck erfordert es vielmehr, dem Mieter unabhängig von der Verzögerungsgefahr die Möglichkeit zu erhalten, eine begründete Kündigung nachträglich unwirksam zu machen.

Folglich trifft dem Schuldner nur die Verlustgefahr. Bei rechtzeitiger Leistungshandlung ist ihm die Verzögerungsgefahr dagegen nicht anzulasten.

Hat die Beklagte aber den Betrag von 1.218,60 DM innerhalb der Schonfrist eingezahlt, kam es entscheidend auf die Höhe des bis zum 24. Juli 1991 bestehenden Mietzinsrückstandes an und somit auf die beweiserhebliche Frage...

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