Bei der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten kann sich auch eine Situation ergeben, in der der Mandant im Wege eines Schadensersatzprozesses vom Unfallgegner als Halter oder Fahrer, in der Regel gemeinsam mit der zuständigen Haftpflichtversicherung, auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird (Passiv-Prozess). Dem Mandanten wird die Klageschrift als Prozesspartei zugestellt. In diesem Falle sind für den Rechtsanwalt die Fristen besonders wichtig. Das gilt sowohl im schriftlichen Vorverfahren für die Verteidigungsanzeige und die Klageerwiderung als auch bei der Bestimmung eines frühen ersten Termins für die Klageerwiderung.

Bei dieser Sachlage ist das alleinige Prozessführungsrecht der Haftpflichtversicherung zu berücksichtigen. Nach Ziff. A.1.1.2 und A.1.1.3 AKB 2023 ist die Versicherung für die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche zuständig, die gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden. Nach Ziff. A.1.1.4 AKB 2023 des Versicherers gilt der Versicherer mit Abschluss des Versicherungsvertrages als bevollmächtigt, im Namen der versicherten Personen Ansprüche zu befriedigen oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens abzugeben (Regulierungsvollmacht). Das bedeutet konkret, dass es das Recht der Haftpflichtversicherung ist, einen Rechtsanwalt ihrer Wahl mit der Abwehr der Schadensersatzansprüche und der Vertretung im Prozess zu beauftragen (Ziff. E.1.2.4 AKB 2023). Hiermit geht im Wege des sog. sekundären Rechtsschutzes auch die Begleichung der Rechtsanwalts- und Gerichtskosten für das gerichtliche Klageverfahren einher (auch im Falle des Verlierens des Prozesses).

Prozessauftrag

Der Rechtsanwalt kann sich bei einer avisierten Vertretung des Beklagten im Prozess bemühen, direkt von der zuständigen und/oder mitverklagten Haftpflichtversicherung des Mandanten einen Prozessauftrag zu erhalten. Ein Anspruch des Mandanten, die Vertretung durch einen bestimmten ("seinen") Rechtsanwalt zu erreichen, besteht nicht. In der Regel verfügen zumindest größere Versicherungsgesellschaften über Kooperationen mit Rechtsanwälten, die sie im Falle einer Inanspruchnahme beauftragen. Um den Mandatsauftrag von der Versicherung zu erhalten, könnte der Rechtsanwalt z. B. argumentieren, dass er mit dem Sachverhalt bereits durch ein vorheriges Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren vertraut ist. Wird der Rechtsanwalt aber von der Haftpflichtversicherung nicht mit der Prozessführung beauftragt, muss er die Erstattungsmöglichkeiten für seine Gebühren kennen.

 
Achtung

Kostenerstattung von Gebühren

Die Haftpflichtversicherung ist nicht verpflichtet, die Kosten eines Rechtsanwalts zu übernehmen, die dadurch entstehen, dass er sich für den mitverklagten Halter oder Fahrer des Fahrzeugs bestellt, wenn die Versicherung einen anderen Rechtsanwalt mit der Prozessführung beauftragen will oder bereits beauftragt hat.

Auch die Rechtsschutzversicherung des Mandanten hilft in diesem Fall nicht weiter, da eine Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn es sich um die Abwehr von Haftpflichtansprüchen handelt.

Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt berechtigt, neben dem Prozessvertreter der Haftpflichtversicherung den Prozess für den Halter oder Fahrer zu führen. Aus dem Versicherungsverhältnis ist der Rechtsanwalt jedoch verpflichtet, keinen Sachvortrag zu liefern, der sich mit dem Sachvortrag des Bevollmächtigten der Haftpflichtversicherung in Widerspruch setzt. Selbst im Falle des Obsiegens im gerichtlichen Verfahren wird von der Rechtsprechung teilweise eine Erstattungsfähigkeit dieser Rechtsanwaltsgebühren für die Vertretung des Halters und des Fahrers im Prozess abgelehnt, da die Haftpflichtversicherung aufgrund der Bevollmächtigung alle versicherten Personen vertreten darf und die geltend gemachten Kosten für eine Doppelvertretung des Halters oder Fahrers insoweit keine notwendigen Prozesskosten sind. Schlussendlich bleibt in diesem Falle dann nur die Möglichkeit, dass der Mandant als Auftraggeber auch im Obsiegensfall die Rechtsanwaltsgebühren bezahlen müsste.

 
Hinweis

Kostentragungspflicht

Der Mandant ist aus haftungsrechtlichen Gründen auf dieses Kostentragungsrisiko hinzuweisen.

 
Achtung

Fristen beachten!

Nimmt also der Mandant die anwaltliche Hilfe als Halter oder Fahrer eines Fahrzeugs in Anspruch und steht fest, dass der Rechtsanwalt von der Haftpflichtversicherung kein Mandat zur Prozessführung erhält, ist es hier ratsam, aus Gründen der Fristwahrung mit der eigenen Haftpflichtversicherung und der dortigen Schadens- oder Prozessabteilung Kontakt aufzunehmen, um die Einhaltung der Fristen sicherzustellen.

Im Notfall kann der Rechtsanwalt zur Fristwahrung auch eine Verteidigungsanzeige für seine Mandanten beim Gericht stellen. Er kann dann das Mandat niederlegen, wenn der von der Haftpflichtversicherung beauftragte Rechtsanwalt die Prozessführung übernimmt. Es bleibt dann al...

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