Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewillkürte Prozessstandschaft. Prozessführungsbefugnis. Annahmeverzug. Betriebsübergang. Arbeitsangebot. Freistellung. Ausschlussfrist. schriftliche Geltendmachung. Schriftliche Geltendmachung von Vergütungsansprüchen durch Klage auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs übergegangen ist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein fremdes Recht darf aufgrund einer von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgt werden, sofern hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse besteht und der Gegner nicht aufgrund besonderer Umstände unbillig benachteiligt wird. Die Zustimmung zu einer gerichtlichen Geltendmachung kann auch noch nach Klageerhebung wirksam erteilt werden.

2. Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit, es gebe keine Arbeit mehr und er könne deshalb nicht mehr beschäftigt werden, werden die Voraussetzungen des Annahmeverzugs erfüllt, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf.

3. In der Erhebung einer Klage auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs übergegangen ist, kann die schriftliche Geltendmachung von Vergütungsansprüchen liegen, die dem übergegangenen Arbeitsverhältnis entspringen.

 

Normenkette

BGB §§ 615, 296; SGB X § 115

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1161b/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.09.2009; Aktenzeichen 5 AZR 518/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 06.09.2007 – 1 Ca 1161 b/07 – geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Bundesagentur für Arbeit Kiel (Aktenzeichen 231e 131A150167) 14.343,24 EUR zu zahlen.

Der Kläger trägt die Kosten erster Instanz. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten verlangen kann, dass diese Annahmeverzugsvergütung an die Bundesagentur für Arbeit erstattet.

Der Kläger war seit 1989 als Tugmasterfahrer bei der Firma B. GmbH (B. GmbH) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der Arbeitsvertrag vom 26.10.2000 zugrunde. Dort finden sich unter der Überschrift „Ausschlussfrist” folgende Regelungen:

„(1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen spätestens 3 Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Nach Ablauf dieser Frist sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erloschen.”

Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrags wird verwiesen auf die Anlage B 1 (= Bl. 61 ff. d. A.).

Der Betrieb der B. GmbH ging teilweise zum 01.05.2005 und vollständig zum 17.05.2005 auf die Beklagte über. Am 02.05.2005 beantragte die B. GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Am 20.06.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt S. zum Insolvenzverwalter bestellt. Gemäß dessen Schreiben vom 22.07.2005 (Anlage K 9 = Bl. 151 d. A.) wurde der operative Geschäftsbetrieb der B. GmbH bereits zum 15.05.2005 eingestellt.

Anfang August 2005 erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 02.05.2005, hilfsweise zum 17.05.2005, auf die Beklagte übergegangen ist. Auf S. 7 seiner Klagschrift vom 04.08.2005 führte er u. a. aus:

„Rechtsfolge des Betriebsüberganges ist, dass die Beklagten in alle Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses des Klägers und der Streitverkündeten zu 2.) eingetreten sind. Die Beklagten beschäftigen den Kläger nicht. Die Arbeitskraft des Klägers wird angeboten. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses ist gerichtlich festzustellen”.

Im Laufe des durch diese Klagschrift eingeleiteten Verfahrens beantragte der Kläger am 02.11.2005 Weiterbeschäftigung. Die Beklagte bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen eines Betriebsübergangs und machte geltend, der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein stellte durch Urteil vom 29.06.2006 (4 Sa 594/05) fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur B. GmbH mit Wirkung ab 17.05.2005 auf die Beklagte übergegangen ist und verurteilte die Beklagte dazu, den Kläger als Tugmasterfahrer zu beschäftigen.

Mit Schreiben vom 29.06.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zum 30.06.2006. In dem daraufhin vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzverfahren (Arbeitsgericht Kiel – 1 Ca 1348 b/06 –) schlossen die Parteien am 21.08.2006 einen Vergleich mit folgendem Wortlaut:

  1. „Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher fristgemäßer Kündigung seitens der Beklagten aus betrieblichen Gründen zum 31. August 2006 sein Ende finden wird.
  2. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass der Kläger seine Arbeitsleistung nicht tatsächlich angeboten hat und deshalb auch keine Annahmeverzugsvergütung zu leisten ist bis zum 15. Juni 2006. Für den Zeitraum 16. Juni 2006 bis 31. August 2006 besteht kein Annahmeverzugsanspruch auf Annahmeverzugsvergütung aufgrund anderweitigen Verdienstes des Klä...

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