Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. Entgeltabsenkung. Sanierungsplan. Sanierungskonzept. freiwillige Zustimmung. einheitliche Umsetzung. Betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die unternehmerische Entscheidung zur einheitlichen Umsetzung eines Sanierungsplans rechtfertigt eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung, wenn damit eine drohende Betriebsschließung und der damit einhergehende Ausspruch von Beendigungskündigungen vermieden werden kann, wenn der Arbeitgeber zuvor alle gegenüber der Änderungskündigung milderen Mittel ausgeschöpft hat, der Arbeitnehmer die Entgeltabsenkung billigerweise hinnehmen muss und die Gleichbehandlung der von den Änderungskündigungen betroffenen Arbeitnehmer gewahrt ist (BAG, Urt. v. 12.11.1998 – 2 AZR 91/98 –).

2. Dabei spielt es keine Rolle, ob und wie viele der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer der Änderung ihrer Arbeitsbedingungen (Entgeltreduzierung) im Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung bereits freiwillig zugestimmt haben, solange das Sanierungskonzept noch nicht in Gänze abgeschlossen ist, der Arbeitgeber an der vollständigen Umsetzung des Sanierungskonzepts nach wie vor festhält und dieses im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch Bestand hat.

 

Normenkette

KSchG § 2 S. 1, § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Urteil vom 22.06.2006; Aktenzeichen öD 3 Ca 1913/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.06.2008; Aktenzeichen 2 AZR 139/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Flensburg, Kammer Husum, vom 22. Juni 2006, Az.: öD 3 Ca 1913/05, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung.

Der am …1968 geborene Kläger ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 27.03.1996 (Bl. 4 d. A.) und eines Nachtrages vom 24.04.1996 (Bl. 5 d.GA.) bei dem Beklagten als Küchenhelfer in dessen Einrichtung „D.” in St. tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß Ziffer 2 des Arbeitsvertrages die Arbeitsbedingungen der Angestellten und Arbeiter des D. in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Der Beklagte befand sich spätestens seit dem Jahre 2003 in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ein unrentables Tochterunternehmen, die S., die zwei Pflegeheime betrieb, musste im Jahre 2004 Insolvenz anmelden. Ausweislich der „Gutachterlichen Stellungnahme zur aktuellen wirtschaftlichen Situation und zu Umstrukturierungsmaßnahmen” der W. OHG vom 29.09.2005 (= Wirtschaftsgutachten; Bl. 35-50 d.GA.) waren zur Gewährleistung des Fortbestandes des Beklagten und zur Abwendung der Insolvenz einschneidende Umstrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen erforderlich. Unter anderem wurde gefordert, die Personalkostenstruktur durch Änderung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in insgesamt vier Punkten zu reformieren, um eine Gesamtentlastung im Volumen von ca. EUR 1,5 Mio. zu erreichen. Die Beklagte entwarf daraufhin den Sanierungsplan vom 24.11.2005, nach dem von allen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern eine zusätzliche unentgeltliche Tätigkeit von 145 Stunden innerhalb eines Zeitraums vom 01.11.2005 bis zum 31.03.2008 abverlangt wurde. Als weitere Maßnahmen sieht der Sanierungsplan die Streichung des zusätzlichen Urlaubsgeldes (im Jahre 2005 sollte ein Urlaubsgeld von pauschal EUR 150,00 gezahlt werden) sowie die Streichung von Sonderzuwendungen und der Arbeitsbefreiung aufgrund eines AZV-Tages vor. Zwischen den Parteien ist inzwischen unstreitig, dass diese Umstrukturierungsmaßnahmen auf der Personalkostenebene zwingend notwendig waren, um die wirtschaftliche Existenz des Beklagten und damit die Arbeitsplätze der Mitarbeiter für die Zukunft zu sichern. Auch steht zwischen den Parteien nicht mehr im Streit, dass der vom Beklagten entwickelte Sanierungsplan alle gegenüber einer Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Zur Umsetzung des Sanierungskonzepts schloss der Beklagte mit der Gewerkschaft V. einen Sanierungstarifvertrag (= SanierungsTV; Bl. 56-64 d.GA.) gültig vom 01.11.2005 bis 31.03.2008, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Um die Regelungen des SanierungsTV gegenüber den Mitarbeitern in Geltung zu setzen, bedurfte es der individualvertraglichen Vereinbarung der tariflichen Regelungen mit jedem einzelnen Arbeitnehmer. Aus diesem Grund bot der Beklagte dem Kläger, wie auch allen anderen Beschäftigten, mit Schreiben vom 15.12.2005 (Bl. 66 f. d.GA.) unter gleichzeitiger Übersendung der Darstellung „Notwendigkeit zur Änderung der Arbeitsbedingungen” (Bl. 68-70 d.GA.) die freiwillige Annahme der Regelungen des Sanierungstarifvertrages an. In dieser Bezugnahmevereinbarung wurde ausdrücklich auf § 12 Abs. 3 SanierungsTV hingewiesen, nach dem die Tarifvertragsparteien übereinstimmend davon ausgehen, dass alle unt...

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