Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. fristlos. außerordentlich. Arbeitsniederlegung. Arbeitsverweigerung. Anführer. Arbeitsunfähigkeit. Außerordentliche Kündigung bei Arbeitsverweigerung nach ordentlicher Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Verabreden sich mehrere Beschäftigte, die Arbeit für den Fall niederzulegen, dass ihnen ordentlich gekündigt wird, liegt regelmäßig ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor; das gilt erst recht, wenn die Arbeit nach Zugang der ordentlichen Kündigung tatsächlich niedergelegt wird, da in einem solchen Fall die Beschäftigten die geschuldete Arbeit bewusst nicht leisten und damit ein Fall der beharrlichen Arbeitsverweigerung vorliegt.
2. Für die Bewertung, ob eine beharrliche Arbeitsverweigerung vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob der gekündigte Arbeitnehmer Rädelsführer war oder sich überhaupt an einer Absprache beteiligt hatte oder nur Mitläufer war.
3. Es ist nicht hinzunehmen, dass Beschäftigte, denen fristgerecht gekündigt wird, während der laufenden Kündigungsfrist ihre Arbeit niederlegen; ebenso, wie ein Arbeitnehmer im Regelfall verlangen kann, dass die Arbeitgeberin die Kündigungsfrist einhält, kann die Arbeitgeberin entsprechende Vertragstreue verlangen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 17.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1883/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.02.2011 - 2 Ca 1773/10 - teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen verhaltensbedingten Kündigung sowie einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der Kläger ist am ....1977 geboren. Er verheiratet und ist einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtet. Bei der Beklagten war er gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01.12.2008 (Bl. 4 d.A.) seit demselben Tag als Arbeiter zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 1.680,00 EUR beschäftigt. Die Beklagte führt die Trailer- Vorbeladungen für Papierhersteller durch. Es sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Kläger war nach § 2 Ziffer I. Arbeitsvertrages für die Bearbeitung von Papierrollen/Paletten und sonstigen Forestprodukten eingestellt. Zu seinem Arbeitsgebiet gehörten auch Tally- und Umpackarbeiten, Warenprüfungen, Schadensbesichtigungen sowie Lagerarbeiten und Trailerbeladungen. Der Kläger war stets am Nordlandkai in L. als Trailervorbelader eingesetzt. In der Trailervorbeladung waren ursprünglich zwölf Arbeitnehmer der Beklagten tätig. Sieben davon, darunter auch der Kläger, waren nicht im Besitz eines LkwFührerscheins und daher nicht befähigt und berechtigt, einen der in der Trailervorbeladung eingesetzten sog. Tugmaster zu führen. Die weiteren fünf Arbeitnehmer verfügten über einen Lkw-Führerschein. Ebenfalls dort eingesetzt waren der Zeuge R. S. als sog. Operations Manager II, dem der Zeuge J.-P. S. als Operations Manager vorgesetzt war.
Die Beklagte war im Wesentlichen für zwei große Papierhersteller, die Firmen St. E. und U., in der Trailervorbeladung tätig. Dort wurden die per Schiff ankommenden Trailer zur Entladung bzw. Umladung auf Trailer vorbereitet und sodann von Fuhrunternehmen aus dem Hafen herausgefahren. Seit Juli 2010 stand die Beklagte in Preisverhandlungen mit der Fa. St. E.. Diese führten zunächst zu keinem Ergebnis. Die Geschäftsbeziehung wurde zum 30.07.2010 beendet. Seit dem 01.10.2010 ist die Beklagte wieder für das Unternehmen St. E. in der Trailervorbeladung tätig.
Nachdem Scheitern der Verhandlungen mit St. E. sprach die Beklagte gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern, die in der Trailervorbeladung eingesetzt waren und nicht über einen Lkw-Führerschein verfügten, betriebsbedingte ordentliche Kündigungen aus. Auch der Kläger erhielt mit Schreiben vom 29.07.2010, zugegangen am 30.07.2010, eine Kündigung zum 31.08.2010 (Bl. 10 d. A.). Der ebenfalls in der Trailervorbeladung beschäftigte Arbeitnehmer B. hatte am 30.07.2010 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten erhalten. Seine Ehefrau unterrichtete ihn während des Dienstes am 30.07.2010. Herr B. setzte sogleich per Funk seine Arbeitskollegen in Kenntnis. Der Zeuge S., Operations Manager II in der Trailervorbeladung, setzte die dortigen Mitarbeiter in Kenntnis, dass allen Mitarbeiter gekündigt worden sei, die nicht über einen Lkw-Führerschein verfügten.
Der Kläger ging daher davon aus, er habe ebenfalls eine ordentliche Kündigung erhalten. Er verließ am 30.07.2010, einem Freitag, zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr seinen Arbeitsplatz und ging nach Hause. Alle anderen Mitarbeiter, denen eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden war, gingen ebenfalls nach Hause. Dienstende wäre an diesem Tag für den Kläger um 15.30 Uhr gewesen. Die noch zu bewältigende Arbeit in der...