REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN JA

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz. soziale Auswahl

 

Leitsatz (amtlich)

Verlangt der Arbeitnehmer Auskunft über die Gründe für die soziale Auswahl, geht die Darlegungslast auf den Arbeitgeber entsprechend dem materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch über. Daraus ergibt sich:

  1. Der Arbeitgeber hat lediglich die von ihm (subjektiv) angestellten Auswahlüberlegungen darzulegen; hierzu gehören die Auskunft, ob er eine soziale Auswahl angestellt hat und ggf. die Namen der von ihm als vergleichbar angesehenen und in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer und die von ihm der Entscheidung zugrunde gelegten (subjektiven) Auswahlkriterien (im Anschluß an BAG AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl und BAG AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
  2. Dagegen kann der Arbeitnehmer nicht verlangen, daß eine Personalliste aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer mit deren vollständigen sozialen Daten vorgelegt wird (BAG AP Nr. 10 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl) oder ihm die (objektiven) sozialen Daten der in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer genannt werden.
  3. Ob die vom Arbeitgeber angestellten Auswahlüberlegungen objektiv den Grundsätzen für eine soziale Auswahl entsprechen, ist keine Frage der Darlegungslast, sondern der sozialen Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 u. 3 KSchG.
 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 11.06.1987; Aktenzeichen 2 Ca 720/87)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.07.1988; Aktenzeichen 2 AZR 75/88)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 11. Juni 1987 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.515,– DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine aus betrieblichen Gründen ausgesprochene fristgemäße Kündigung, welche der Beklagte als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma S. -W. GmbH in Lübeck-Travemünde durch einen Bevollmächtigten ausgesprochen hat.

Der Kläger war seit Jahren als Schweißer bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Durch Schreiben vom 24. Februar 1987 wurde dem Kläger und etwa 180 weiteren Mitarbeitern die fristgerechte Kündigung zum 30. April 1987 ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben ist unter dem Briefkopf des Beklagten aufgesetzt und nach dem Text mit einem Stempel des Beklagten versehen, jedoch nicht vom Beklagten persönlich, sondern von einem beim Beklagten beschäftigten freien Mitarbeiter S. „in Vollmacht” unterzeichnet worden.

Der Kläger hält die ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam. Die Kündigung sei nicht ordnungsgemäß ausgesprochen worden, da der Beklagte sich als Konkursverwalter bei Ausspruch der Kündigung nicht habe vertreten lassen dürfen. Auch ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Der Kläger hat den Beklagten aufgefordert, ihm die Daten bekannt zu geben, die zur sozialen Auswahl geführt haben. Er meint, daß der Beklagte die soziale Auswahl unrichtig durchgeführt habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die mit Schreiben vom 24. Februar 1987 ausgesprochene Kündigung, zugegangen am 25. Februar 1987, zum 30. April 1987 nicht aufgelöst worden ist und
  2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 30. April 1987 hinaus weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte widerspricht der Auffassung des Klägers hinsichtlich der Bevollmächtigung des Mitarbeiters S. Er behauptet, zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe er davon ausgehen müssen, von Mai 1987 an nur noch Arbeit für 33 von seinerzeit noch 82 Schweißern und Schleifern zu haben. Tatsächlich sei diese Arbeit inzwischen erledigt worden. Es seien überhaupt keine Aufträge mehr vorhanden.

Zur sozialen Auswahl hat der Beklagte vorgetragen:

Das Auskunftsverlangen des Klägers sei rechtsmißbräuchlich, da der Kläger ohne weiteres in der Lage ist, die Arbeitnehmer aus den einzelnen Gewerken genau zu kennen. Der Kläger müsse aus diesem Grunde konkret darlegen, daß er nicht wisse, weiche Arbeitskollegen mit ihm vergleichbar seien. Er habe die soziale Auswahl auch ordnungsgemäß getroffen. Die Auswahlkriterien ergäben sich aus dem zwischen dem Konkursverwalter und dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich, auf den Bezug genommen werde (Bl. 20/20R d. A.). Die Bewertungsmaßstäbe für die soziale Auswahl richteten sich nach Leistungsgruppen, die in die Gruppen A. bis D. unterteilt seien, wobei in Gruppe A ungelernte Helfer, in Gruppe B Facharbeiter, in Gruppe C Facharbeiter mit größerer Flexibilität und in Gruppe D Spezialisten eingestuft würden. Zur Abwicklung der bestehenden Aufträge könnten nur Arbeitnehmer beschäftigt werden, die für die Aufrechterhaltung des eingeschränkt arbeitenden Betriebes unabdingbar erforderlich seien. Die Bewertung der Auswahlkriterien sei gemäß folgender Rangfolge durchgeführt worden: Als besonders schutzwürdig seien diejenigen Arbei...

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