Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahmeklausel. Branchenwechsel. Betriebsübergang. Unterrichtung. Auslegung einer individualvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Nehmen Arbeitsvertragsparteien auf Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Bezug, so ist der Umfang der Bezugnahme nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung zu bestimmen. Durch eine solche Klausel können alle Tarifverträge in Bezug genommen werden, die funktionsgleich an die Stelle der ausdrücklich angeführten Tarifverträge getreten sind.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 613a Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 11.09.2008; Aktenzeichen 2 Ca 1332/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.07.2011; Aktenzeichen 4 AZR 501/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 11.09.2008 (2 Ca 1332/08) teilweise abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger (beide Rechtszüge).

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob es infolge eines Betriebsübergangs zu einem Wechsel des für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifrechts gekommen ist, und, ob das Unterrichtungsschreiben der Beklagten den Anforderungen des § 613 a Abs. 5 BGB entspricht.

Der Kläger wurde am 29.07.1977 von der D. B., der Rechtsvorgängerin der D. T. AG (im Folgenden: DTAG) und der Beklagten, nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als vollbeschäftigter, ständiger Arbeiter eingestellt. In dem Formulararbeitsvertrag vom selben Tag (Anlage K 1 = Blatt 8 d. A.) trafen die Parteien u.a. folgende Regelung:

„Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der D. B. gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.”

Bei Vertragsschluss existierten bereits Tarifverträge, die nicht zum Tarifwerk des Tarifvertrags für die Arbeiter der D. B. (TV Arb) gehörten, aber dennoch auf den Kläger angewendet wurden. Der Kläger war und ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft.

Zum 01.01.1995 ging der Telekommunikationsbereich der D. B. infolge der Postreform II als identitätswahrende Gesamtrechtsnachfolge auf die D. T. AG über (§§ 1, 2 PostUmwG). Mit Wirkung zum 01.07.2001 wurde der TV Arb durch den Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS aufgehoben. Dieser neue Tarifvertrag sah u. a. die Fortgeltung von 14 zwischen der DTAG und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Tarifverträgen vor.

Der Kläger wurde bei der DTAG zuletzt mit Wirkung ab dem 01.01.2007 auf dem Personalposten Sb PTI Projektierung und Baubegleitung mit der AtNr. R21… in der Aufgabengruppe Produktion TI 12 am Beschäftigungsort L. eingesetzt. Er war in der Vergütungsgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages bei der DTAG (ERTV) eingruppiert. Seine monatliche Vergütung in dieser Funktion betrug gemäß dem Tabellenlohn des ERTV 3.135,00 EUR brutto. Vor dem 25.06.2007 wandte die DTAG die im Antrag zu 1 genannten Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis an.

Die DTAG beschloss im Frühjahr 2007 unter anderem, alle bisherigen Betriebe der früheren technischen Infrastrukturniederlassungen im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die Beklagte zu übertragen. Mit Schreiben vom 17.07.2007, dem Kläger am 19.07.2007 zugegangen, unterrichteten die Beklagte und die DTAG den Kläger über die Betriebsübergänge. Das Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

Unterrichtung über den Übergang der Technische Infrastruktur Niederlassungen der T-Com von der D. T. AG auf die D. T. Netzproduktion GmbH

Sehr geehrte Mitarbeiterin, sehr geehrter Mitarbeiter,

wie Ihnen bereits aus der vielfachen internen Kommunikation bekannt ist, hat die D. T. AG (im Folgenden: DTAG) im Rahmen von „T-Service” die 8 Betriebe der Technische Infrastruktur Niederlassungen (im Folgenden: TI NL) der T-Com an die D. T. Netzproduktion GmbH, F.-E.-A. …, B., vertreten durch die Geschäftsführer Herrn Friedrich F., Herrn Albert M. und Herrn Klaus P., übertragen. Die D. T. Netzproduktion GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der DTAG.

Durch die Übertragung haben so genannten Betriebsübergänge gemäß § 613a BGB stattgefunden, über die wir Sie nachfolgend unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften (§ 613a Abs. 5 BGB) unterrichten.

II. Folgen und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang

Die Folgen eines Betriebsübergangs sind insbesondere in § 613a Abs. 1 BGB geregelt. Der Wortlaut des § 613a BGB ist in der Anlage 1 abgedruckt. Im Einzelnen gelten folgende Grundsätze:

1. Durch den Betriebsübergang tritt für Sie ein Arbeitgeberwechsel von der DTAG zur D. T. Netzproduktion GmbH ein. Mit dem Betriebsübergang geht Ihr Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes von der DTAG auf die D. T. Netzproduktion GmbH über. Das heißt, die D. T. Netzproduktion GmbH wird Ihr neuer Arbeitgeber. Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zur DTAG erlischt.

2. Ihr Arbeitsverhältnis geht mit allen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die D. T. Netzproduktion GmbH übe...

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