Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlung. Arbeitsentgelt. Sonderzahlung als Masseforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine Sonderzahlung, die erst nach Insolvenzeröffnung fällig wird, aber für einen Bezugszeitraum geleistet wird, der teilweise auch vor Insolvenzeröffnung liegt, eine Masseforderung ist, beurteilt sich nach der konkreten Ausgestaltung ihrer Anspruchsvoraussetzungen. Handelt es sich danach nicht um Arbeitsentgelt im engeren, sondern im weiteren Sinne, haftet der Insolvenzverwalter für die gesamte Sonderzahlung.

2. Bei einer Gratifikation mit Mischcharakter handelt es sich nicht um eine allein arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 12.09.2007; Aktenzeichen 4 Ca 1136c/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.09.2007 – 4 Ca 1136 c/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Zahlung restlichen Weihnachtsgeldes.

Die Klägerin war bei der Firma DRK Pflegedienste Kreis P. gGmbH in der Zeit vom 15.11.1979 bis zum 31.12.2006 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die DRK Pflegedienste Kreis P. gGmbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 29.05.2006 „aus dringenden betrieblichen Erfordernissen” zum 31.12.2006. In dem vor dem Arbeitsgericht Kiel geführten Kündigungsrechtsstreit (4 Ca 1122 c/06) einigten sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Jahres 2006 gegen Zahlung einer Abfindung.

Im August 2006 wurde über das Vermögen der DRK Pflegedienste Kreis P. gGmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte zahlte der Klägerin im November 2006 Weihnachtsgeld in Höhe von 162,08 EUR brutto.

Die Klägerin hat gemeint, sie habe einen Zahlungsanspruch als Masseforderung auf den Gesamtbetrag der Zuwendung in Höhe von 972,15 EUR brutto.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 810,07 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2007 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, es bestehe hier lediglich ein anteiliger Anspruch auf Zahlung der Zuwendung für die Zeit ab Verfahrenseröffnung. Dieser Anspruch sei bereits erfüllt. Der vor Verfahrenseröffnung erdiente Teil des Weihnachtsgeldes sei als Insolvenzforderung zu qualifizieren.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe einen Anspruch auf vollständige Zahlung der tariflichen Sonderzuwendung als Masseforderung. Die streitgegenständliche Sonderzuwendung sei nicht nur Entgelt für die im Bezugsjahr erbrachte Arbeitsleistung und damit vergangenheitsbezogen, sondern diene auch zukunftsbezogen als Anreiz für eine weitere Betriebstreue.

Gegen dieses ihm am 25.09.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.10.2007 eingelegte Berufung des Beklagten, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.12.2007 am 10.12.2007 durch Telefax und am 11.12.2007 durch Originalschriftsatz begründet hat.

Der Beklagte ist unverändert der Auffassung, bei der streitgegenständlichen Zuwendung handele es sich nicht um eine Masseforderung. Zudem habe das Arbeitsverhältnis nicht über den 31.03.2007 hinaus bestanden.

Der Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.09.2007, Aktenzeichen 4 Ca 1136 c/07, abzuändern und die Klage abzuweisen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Entgegen dem Vortrag des Beklagten lägen die Voraussetzungen des Tarifvertrags für die geltend gemachte Forderung vor. Eine Zuordnung der tariflichen Zuwendung zu einzelnen Lohnzahlungszeiträumen sei nicht möglich.

Die Akte des Arbeitsgerichts Kiel zu dem Aktenzeichen 4 Ca 1122 c/06 ist beigezogen worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 d ArbGG statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung der vollen tariflichen Zuwendung für das Jahr 2006.

1. Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen für die von ihr begehrte Zuwendung nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 in der Fassung des Änderungsvertrags vom 31.01.2003 (Zuwendungstarifvertrag).

a) Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass neben dem BAT auch der Zuwendungstarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand.

b) Gemäß § 1 Abs. 1 des Zuwendungstarifvertrags erhält der Angestellte eine Zuwendung, wenn er am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis ste...

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