Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsverhältnis. freies Dienstverhältnis. Statusklage. Leiterin einer Außenwohngruppe. Arbeitsnehmereigenschaft. behördliche Genehmigung. Keine Arbeitnehmereigenschaft einer Leiterin einer Außenwohngruppe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Leiterin einer Außenwohngruppe, die mit den zu betreuenden Minderjährigen in familienähnlicher Hausgemeinschaft wohnt, die Unterkunft selbstständig in Abstimmung mit dem Jugendamt selbst auswählt und anmietet, Urlaub lediglich dem Jugendamt anzuzeigen hat und für Vertretungskräfte selbst sorgen muss und – vorbehaltlich der Rechte der Heimaufsicht – in der Ausgestaltung der Betreuungsarbeit nicht an Weisungen des Jugendamtes gebunden ist, ist regelmäßig keine Arbeitnehmerin.

2. Dies gilt selbst dann, wenn sie aufgrund ihrer fehlenden beruflichen Qualifikation keine eigene behördliche Betriebserlaubnis zur Führung einer Wohngruppe nach §§ 45, 49 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht erhalten könnte.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 25.09.2003; Aktenzeichen 3 Ca 2436 a/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 5 AZR 347/04)

 

Tenor

1. Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 06.04.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die weitergehenden Kosten trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses insbesondere um den Status der Klägerin.

Die Klägerin ist staatlich geprüfte Hauswirtschaftsleiterin und war bei der beklagten Hansestadt zunächst als Reinigungsbeauftragte aufgrund eines Arbeitsvertrages angestellt. Mit Wirkung vom 01.11.1993 ließ sie sich unbezahlt beurlauben, um für die Beklagte die Aufgabe der Leitung einer Außenwohngruppe zu übernehmen. Die Beklagte betreibt Außenwohngruppen als Alternative zu Kinder- und Jugendheimen. Kindern und Jugendlichen wird durch die Außenwohngruppen ein familienähnliches Zuhause mit festen Bezugspersonen – den Außenwohngruppenleitern – angeboten. Die Klägerin leitet die Außenwohngruppe M… in G… (S…-H…). Ihr Vertragsverhältnis regelten die Parteien am 22.10.1993 durch einen von ihnen so bezeichneten „Dienstvertrag”. Dieser wurde später durch einen Vertrag vom 24.01.1996 ersetzt (Anl. K2, Bl. 14 ff. d. GA.).

Letzterer lautet auszugsweise:

„I.

(1) Der/Die AuftragnehmerIn übernimmt gemeinsam mit …./…. die Betreuung einer selbständigen Außenwohngruppe mit 2 Minderjährigen.

(2) Die Tätigkeit wird freiberuflich ausgeführt; ein Arbeitsverhältnis wird nicht begründet.

(3) Der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme richtet sich nach dem Erziehungs- und Betreuungsbedarf der Betreuten. Der/Die AuftragnehmerIn setzt ihre ganze Kraft für die Erfüllung der Erziehungsaufgabe ein.

II.

Der/Die Auftragnehmerin übernimmt folgende Verpflichtungen:

(1) Er/Sie beschafft gemeinsam mit dem/der anderen BetreuerIn Wohnraum (Einzelhaus, Reihenhaus Wohnung etc.) und lebt darin in Gemeinschaft mit den Betreuten und dem/der anderen BetreuerIn.

Über den Wohnort der Außenwohngruppe ist Einvernehmen mit der Auftraggeberin zu erzielen.

(2) Er/Sie gewährt den Minderjährigen auf der Grundlage des Konzeptes über die Erziehung in Außenwohngruppen eine familienähnliche Erziehung mit dem Ziel, sie bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres zu einem selbständigen Leben in der Gesellschaft zu befähigen.

Er/Sie bestimmt gemeinsam mit dem/der anderen BetreuerIn über die Ausgestaltung der Arbeit, soweit hierüber in einer Anlage zu diesem Vertrag nichts Näheres vereinbart ist.

Er/Sie ist in den vorstehend beschriebenen Angelegenheiten an Weisungen der Auftraggeberin nicht gebunden. Die Rechte der Heimaufsicht nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz bleiben unberührt.

(3) Er/Sie arbeitet mit den von der Auftraggeberin benannten Dienststellen des Amtes für Jugend zusammen. Er/Sie berichtet auf Anforderung der von der Auftraggeberin als zuständig benannten Dienststelle über die Entwicklung der Minderjährigen und über andere besondere Vorkommnisse.

(…)

III.

Die Auftraggeberin übernimmt folgende Verpflichtungen:

(1) Sie berät den/die AuftragnehmerIn in allen pädagogischen und organisatorischen Fragen.

(2) Sie unterstützt den/die AuftragnehmerIn bei der Wohnungssuche.

(3) Sie zahlt dem/der AuftragnehmerIn (…) auch bei persönlicher Verhinderung (z.B. Kur, Krankheit usw.) eine Vergütung; sie beträgt z. Zt. 7.059,94 DM monatlich.

(…)

(4) Die Vergütung wird ohne Abzüge gezahlt.

Dem/Der AuftragnehmerIn obliegt die Beachtung steuerrechtlicher Verpflichtungen.

Hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht verpflichtet sich der/die AuftragnehmerIn, vom anliegenden Merkblatt Kenntnis zu nehmen.

Der/Die AuftragnehmerIn verpflichtet sich (…), freiwillig Beiträge zur Angestelltenversicherung zu entrichten.

Neben der Vergütung erhält der/die AuftragnehmerIn (…) folgende Zahlungen als Kostenersatz:

(5) – Ersatz für die Kosten der Unterkunft –

(…)

(6) – Ersatz für die Beschäftigung von Haushaltshilfen –

(…)

(8) – Ersatz für die Herrichtung und Ausstattung der Unterkunft –

(…)

(9) – Lebe...

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