Entscheidungsstichwort (Thema)

Weisungsgebundenheit als Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft. Druckkündigung im Arbeitsrecht. Anforderungen an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer erbringt seine Dienstleistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation und unterliegt dem Weisungsrecht des Vertragspartners bei Inhalt, Durchführung, Ort und Zeit der Tätigkeit.

2. Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen in dessen Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Falle liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung, kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht, wobei das bloße Verlangen Dritter, einen bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, nicht ohne Weiteres geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen.

3. Beruft sich der Arbeitgeber im Rahmen einer von ihm beantragten Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Auflösungsgründe, die mit den Kündigungsgründen im Zusammenhang stehen, muss er zusätzliche prüfbare Tatsachen dafür vortragen, weshalb ein konkreter Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung selbst nicht zu begründen vermag, so beschaffen sein soll, dass er eine weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lässt.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, §§ 611a, 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1-2, § 9 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 03.09.2010; Aktenzeichen 11 Ca 843/10 HBS)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.07.2013; Aktenzeichen 6 AZR 420/12)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03.09.2010 - 11 Ca 843/10 HBS - wird zurückgewiesen.

2. Der Auflösungsantrag des Beklagten vom 14.11.2011 wird abgewiesen. 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Beklagten sowie einer ordentlichen Kündigung.

Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nebst den dort gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03.09.2010 - 11 Ca 843/10 HBS - auf dessen Seiten 2 - 6 (Bl. 178 - 182 d.A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei für beide Kündigungen eröffnet. Für die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten reiche es, wenn sich die klagende Partei ausschließlich gegen eine ordentliche Kündigung wendet und behauptet, das Kündigungsschutzgesetz finde aufgrund der Arbeitnehmereigenschaft der klagenden Partei Anwendung (Sic-non Fall). Dazu habe der Kläger vorgetragen, dass er Arbeitnehmer des Beklagten gewesen sei. Es habe zwischen ihm und der Insolvenzschuldnerin ein Arbeitsvertrag bestanden und die ordentliche Kündigung des Beklagten sei sozial ungerechtfertigt. Die klagende Partei mache Unwirksamkeitsgründe geltend, welche die Arbeitnehmereigenschaft voraussetzten. Dies sei ausreichend zur Begründung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten hinsichtlich der ordentlichen Kündigung. Vorliegend sei der Rechtsweg zum Arbeitsgericht auch für die fristlose Kündigung gemäß der entsprechenden Anwendung des § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben. Die Klage gegen die fristlose Kündigung stünde in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kündigungsschutzklage, für die der Rechtsweg unzweifelhaft gegeben sei.

Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich eingereichte Klage gegen die Kündigung vom 02. März 2010 als den gesetzlichen Erfordernissen des § 253 ZPO genügend erachtet. Die klagende Partei habe einen konkreten Antrag gestellt und vorgetragen, Arbeitnehmer bei der Gemeinschuldnerin zu sein. Es sei der Klage durch den vor dem Antrag aufgeführten "Betreff" zu entnehmen, dass die Kündigung des Beklagten nicht anerkannt werde. Hinreichend deutlich sei, dass mit der Klage die fehlende soziale Rechtfertigung der angegriffenen Kündigung gem. § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werde. Dies genüge, um auch bei Einreichung durch einen Rechtsanwalt von einer ausreichend formulierten Klage auszugehen.

Das Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung des Beklagten vom 20.04.2010 für unwirksam erachtet. Dazu hat es zunächst festgestellt, dass die klagende Partei Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin sei. Dazu sei vorgetragen, dass er Arbeitnehmer gewesen, seine Arb...

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