Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist. Anspruch auf rückwirkenden Abschluss eines Arbeitsvertrages. Wiedereinstellungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des BAG ist ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet auf den Abschluss eines rückwirkenden Arbeitsvertrages für Zeiträume vor Rechtskraft des Urteils möglich.

2. Der bestandsschützende Inhalt des Wiedereinstellungsanspruchs erfordert (zumindest außerhalb der Insolvenz), dass der Anspruch in entsprechender Anwendung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB auch ohne ein bestehendes Arbeitsverhältnis auf den Betriebsnachfolger übergehen kann.

 

Normenkette

BGB § 613a; ZPO § 894

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 05.05.2004; Aktenzeichen 7 Ca 3114/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.05.2006; Aktenzeichen 8 AZR 299/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des ArbG Magdeburg vom05.05.2004 – 7 Ca 3114/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten zu 1) sowie über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu dem Beklagten zu 2) im Wege des Betriebsübergangs und – hilfsweise – über einen Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2).

Die 1953 geborene und schwer behinderte Klägerin ist gelernte Elektromonteurin und seit dem 30. November 1992 bei dem Beklagten zu 1), dem … Landesverband Sachsen-Anhalt e. V., als Sozialbetreuerin im Frauenhaus W. beschäftigt. Seit dem Jahr 1997 ist sie berechtigt, die Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit” zu führen. Der Beklagte zu 1) führte das Frauenhaus auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Landkreis O. und beschäftigte dort zwei bis drei Arbeitnehmerinnen; in seiner Landesgeschäftsstelle sowie in verschiedenen externen Einrichtungen beschäftigt er darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer.

In der Landesvorstandssitzung am 08. April 2003 fasste der Beklagte zu 1) den Beschluss, das Frauenhaus zum 01.01.2004 an den Landkreis „zurückzuführen” und den Vertrag mit dem Landkreis sowie die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Mitarbeiterinnen fristgerecht zum 31.12.2003 zu kündigen. Zur Begründung stellte er auf die unsichere Situation der zukünftigen Förderung ab. In der Folgezeit wurde der Vertrag mit dem Landkreis aufgelöst.

Unter dem 08.07.2003 hörte der Beklagte zu 1) den bei ihm bestehenden Betriebsrat unter Bezugnahme auf bereits zuvor gegebene Informationen zu einer beabsichtigten Kündigung der Klägerin zum 31.12.2003 an (Bl. 38 – 39 d. A.). Mit Bescheid vom 14.07.2003 stimmte das zuvor von dem Beklagten zu 1) angegangene Integrationsamt der Kündigung der schwer behinderten Klägerin zu (Bl. 96 – 99 d. A.). Mit Schreiben vom 17.07.2003 äußerte der Betriebsrat Bedenken gegen die Kündigung, da die weitere Finanzierung des Frauenhauses aus seiner Sicht gesichert sei (Bl. 40 – 42 d. A.). Mit Schreiben vom 31.07.2003, der Klägerin am selben Tage zugegangen, kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.12.2003.

Mit ihrer am 14.08.2003 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie hat geltend gemacht, dass es an einem Kündigungsgrund fehle, da die weitere Finanzierung des Frauenhauses sehr wohl gesichert sei. Die unternehmerische Entscheidung des Beklagten zu 1) zur Rückgabe des Frauenhauses sei daher willkürlich. Außerdem sei die Beschlussfassung des Landesvorstands mangels Unterzeichnung des Protokolls der Beschlussfassung unwirksam. Darüber hinaus sei die Sozialauswahl fehlerhaft, da die Klägerin als Fachkraft für soziale Arbeit ohne weiteres auch in der Kindertagesstätte des Bekl. zu 1) in N. eingesetzt werden könne. Weiter sei der Betriebsrat nicht ausreichend unterrichtet worden.

Am 08.10.2003 beschloss der Landkreis O. die Fortführung des Frauenhauses und die Ausschreibung seines Betriebs und fand in der Folgezeit mit dem Beklagten zu 2), dem B. Sachsen-Anhalt e. V., einen Träger. Dieser führt das Frauenhaus seit dem 01.01.2004 auf der Grundlage eines Förderungsvertrages mit dem Land Sachsen-Anhalt vom 18.12.2003/21.01.2004 fort (Bl. 391 – 395 d. A). Hierfür stellte er zum 1.1.2004 drei diplomierte Fachkräfte ein. Das bisherige Gebäude samt Mobiliar verwendete er aufgrund eines Mietvertrages mit dem Landkreis weiter, ebenso die alte Telefonnummer. Fünf am 1.1.2004 betreute Bewohnerinnen verblieben im Frauenhaus.

Mit ihrem am 05.11.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 13.11.2003 dem Beklagten zu 2) zugestellten Schriftsatz hat die Klägerin die Klage auf Feststellung eines im Wege des Betriebsübergangs begründeten Arbeitsverhältnisses zu dem Beklagten zu 2), hilfsweise auf Wiedereinstellung durch den Beklagten zu 2) ab dem 01.01.2004 erweitert. Sie hat geltend gemacht, dass die Fortführung des Frauenhauses einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB darstelle, da der ...

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