Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutz der Funktionsträger bei Teilbetriebsübergang und gleichzeitiger Stilllegung des Restbetriebes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beschließt ein Arbeitgeber, Betriebsabteilungen auf einen Erwerber zu übertragen und gleichzeitig die verbleibenden Abteilungen stillzulegen, so hat er gemäß § 15 Abs. 5 KSchG geschützte Funktionsträger im Rahmen des betrieblich Möglichen in die zu übertragenden Abteilungen zu übernehmen mit der Folge, dass deren Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber übergehen.

2. Kommt der Veräußerer dieser Verpflichtung bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht nach, geht das Arbeitsverhältnis des geschützten Funktionsträgers in erweiternder Auslegung von § 513 a BGB gleichwohl auf den Erwerber über, sofern der Funktionsträger nicht widerspricht.

3. Im Rechtsstreit kann der Funktionsträger den Übergang des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gegenüber dem Erwerber geltend machen. Dieser kann gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG einwenden, dass der zu schließende Betriebsteil eine Betriebsabteilung i.S.v. § 15 Abs. 5 KSchG darstelle und dem Veräußerer eine Übernahme des Funktionsträgers in eine der zu veräußernden Abteilungen aus betrieblichen Gründen nicht möglich war.

 

Normenkette

BGB § 613a; KSchG § 15 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 22.04.1998; Aktenzeichen 7 Ca 49/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Halle vom 22.04.1998 – 7 Ca 49/98 – wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des ArbG teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Auftragslogistikerin zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin einem durch Rechtsgeschäft von der Beklagten übernommenen Betriebsteil zuzuordnen und demzufolge auf die Beklagte übergegangen ist.

Die Klägerin war bei der GmbH (im folgenden: K GmbH) als Auftragslogistikerin in der Fertigung beschäftigt. Sie war Vertrauensobfrau der Schwerbehinderten sowie einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Die GmbH betrieb mit 83 Arbeitnehmern auf 3 Geschäftsfeldern den Anlagenbau (z.B. Kühlhäuser, Bob-Bahnen, Eissporthallen), das Produktgeschäft (Kältesatzfertigung) und den Service. Im Anlagenbau fanden in der Regel die Produkte aus dem Produktgeschäft (Kältesätze etc.) Verwendung.

Zum 01. Dezember 1997 übertrug die GmbH die Geschäftsfelder Produktion und Service nebst einem Teil des Anlagenvermögens rechtsgeschäftlich auf die neugegründete Beklagte. Hintergrund war der beabsichtigte (und später fehlgeschlagene) Erwerb der Beklagten durch einen amerikanischen Investor bei gleichzeitiger Liquidation der GmbH und Einstellung ihrer verbleibenden Geschäftstätigkeit (insbesondere Anlagenbau). Die Beklagte übernahm aufgrund entsprechender Verhandlungen mit dem Investor 65 der 83 Arbeitnehmer. Die Klägerin befand sich nicht darunter.

Die GmbH vereinbarte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat in einem Interessenausgleich die Einstellung der verbleibenden Geschäftstätigkeit zum 30.11.1997 und die Kündigung sämtlicher verbliebener Mitarbeiter. Diese, darunter auch die Klägerin, wurden in einer Anlage zum Interessenausgleich namentlich aufgeführt.

In einem Rahmenvertrag vom 15.01.1998 mit der GmbH (inzwischen umgewandelt in Industrie- und Vermögensverwaltungs GmbH) verpflichtete sich die Beklagte, ab 01.12.1997 u.a. alle noch laufenden und von ihr nicht übernommenen Aufträge der GmbH (insbesondere im Bereich Anlagenbau) nach näherer Maßgabe des Vertrages gegen Verrechnung der Kosten auszuführen (Bl. 101 – 107 d.A.). Die Klägerin arbeitete über den 01.12.1997 hinaus in unveränderter Tätigkeit bis zum 30.04.1998 weiter.

Ihr Gehalt zahlte die GmbH fort, allerdings mit einem Abschlag, wie ihn auch die Beklagte mit den übernommenen 55 Mitarbeitern als „Arbeitnehmerbeitrag” vereinbart hatte. Einen Antrag der GmbH auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin wies die Hauptfürsorgestelle im Hinblick auf den Sonderkündigungsschutz als Vertrauensfrau der Schwerbehinderten gemäß § 15 KSchG, § 25 SchwbG als unzulässig zurück (Bl. 58 – 69 d.A.).

Mit Urteil vom 22.04.1998, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Halle auf Antrag der Klägerin

festgestellt, dass zwischen den Parteien ab dem 01.12.1997 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Den außerdem gestellten Antrag auf Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Auftragslogistikerin mit 33 Wochenstunden hat es abgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfristen begründet (vgl. Sitzungsprotokoll vom 15.03.1999 Bl. 175 d.A.).

Die Beklagte macht geltend, dass gemäß § 513 a BGB bei Übergang eines Betriebsteils nur die Arbeitsverhältnisse übergingen, die dem übertragenen Betriebsteil zug...

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