Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung eines Bauleiters bei Einbehalt des aus einem Bargeschäft erhaltenen Werklohns

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen der Arbeitgeberin richten, können selbst dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen und möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat.

2. Auch wenn der Geschäftsführer der Arbeitgeberin dem Bauleiter die Anweisung gibt, ein bestimmtes Bauvorhaben als "Bargeschäft" abzuwickeln, ist damit ohne weitere Darlegungen nicht die Erlaubnis verbunden, das vereinnahmte Geld (13.000 EUR) zunächst zu behalten und es erst zu einem späteren und dem Ermessen des Arbeitnehmers überlassenen Zeitpunkt an die Arbeitgeberin abzuführen; auch bei angewiesenen "Bargeschäften" bleibt der Arbeitnehmer zur Abführung des der Arbeitgeberin hieraus zustehenden Erlöses verpflichtet.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 626 Abs. 1-2, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dessau (Entscheidung vom 23.02.2012; Aktenzeichen 9 Ca 256/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen 10 AZR 266/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 23.02.2012 - 9 Ca 256/10 - wird auf seine Kosten in der Sache zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung des Urteils des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 23.02.2012 wird von Amts wegen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte trägt 6,3 %, der Kläger trägt 93,7 % der erstinstanzlich angefallenen Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der im Jahr 1965 geborene Kläger war seit 01.05.1992 bei der Beklagten in deren Niederlassung S... zuletzt als Bauleiter bzw. Betriebsleiter (so die Beklagte im Schriftsatz vom 17.03.2011, Bl. 105 d.A. und der Kläger im Schriftsatz vom 16.05.2011, Bl. 201 d.A.) tätig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht.

Die Beklagte gewährte dem Kläger eine monatliche feste Vergütung in Höhe von 5.300,00 EUR brutto und zahlte darüber hinaus jährlich mit der Vergütung für den Monat November ein der monatlichen Vergütung entsprechendes Weihnachtsgeld an den Kläger. Weiter gewährte die Beklagte dem Kläger jährlich - mit Abrechnung der Dezembervergütung - zum 10. Januar des Folgejahres eine sog. Sonderzahlung in unterschiedlicher Höhe. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger einen Betrag von 10.000,00 EUR brutto, in den Jahren 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 12.500,00 EUR brutto.

Mit Schreiben vom 19.11.2010 (Bl. 9 d.A.), dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Sie stützt diese Kündigung auf behauptete Pflichtverletzungen des Klägers, insbesondere eine von ihm durchgeführte Konkurrenztätigkeit.

Mit weiteren Schreiben vom 15.02.2011 (Bl. 82 d.A.) sowie vom 16.05.2011 (Bl. 300 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut jeweils außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, den streitgegenständlichen Kündigungen komme keine Rechtswirksamkeit zu. Die Voraussetzungen des § 626 BGB seien nicht gegeben. Demgemäß stehe ihm nicht nur anteilig für den Zeitraum bis 19.11., sondern für den gesamten Monat November 2010 die vertraglich vereinbarte Vergütung in Höhe von 5.300,00 EUR brutto zu. Weiter sei die Beklagte verpflichtet, ihm ein Weihnachtsgeld in entsprechender Höhe sowie eine Sondergratifikation im Umfang der Vorjahresleistungen, nämlich 12.500,00 EUR brutto, zu gewähren. Auch hinsichtlich der letztgenannten Sonderzahlung bestehe ein Rechtsanspruch, da die Beklagte an die Gewährung dieser Leistung keinerlei Vorbehalte oder Bedingungen geknüpft habe. Schlussendlich sei die Beklagte im Hinblick auf den Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung vom 19.11.2010 nicht das seit dem 01.05.1992 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers beendet hat.

2. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch anderweitige Beendigungsgründe geendet hat.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.300,00 EUR brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2010 sowie weitere 5.300,00 EUR brutto nebst Zinsen hierauf wiederum in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2010 zu zahlen.

4. Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis über seine Fähigkeiten und Leistungen bei der Beklagten auszustellen.

5. Festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 15.02.2011 das seit dem 01.05.1992 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers nicht beendet hat, sondern dieses auch weiterhin unverändert fortbesteht.

6. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 5.300,00 EUR brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von ...

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