Verfahrensgang

ArbG Halberstadt (Beschluss vom 10.07.1997; Aktenzeichen 3 Ca 943/97)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 10. Juli 1997 – 3 Ca 943/97 – aufgehoben.

Die Sache wird an das Arbeitsgericht Halberstadt zur weiteren Verhandlung und Entscheidung – ggf. auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – zurückgegeben.

 

Tatbestand

A.

Der Kläger befand sich vom 10. April bis zum 09. Juni 1997 in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit in Haft. Im Gütetermin vom 14. Mai 1997 war der Kläger, dem die Ladung zu diesem Termin am 24. April 1997 durch Niederlegung zugestellt worden ist, säumig. Dort erging antragsgemäß klageabweisendes Versäumnisurteil gegen den Kläger, das diesem am 26. Mai 1997 wiederum durch Niederlegung zugestellt worden ist. Im Schriftsatz des Klägers vom 10. Juni 1997 – eingegangen beim Arbeitsgericht Halberstadt am 12. Juni 1997 – heißt es u. a.:

„… beantrage ich hiermit, die Versetzung in den Stand vor dem 14. Mai 1997 und die Anberaumung eines neuen Gerichtstermins.

Begründung:

Von der Ansetzung des Termins habe ich erst am 09.06.1997 erfahren. Siehe Anhang A.

Ich beantrage diesen vertraulich zu behandeln und als Entschuldigung zu akzeptieren.”

Mit „Anhang A” ist gemeint der dem vorgenannten Schriftsatz des Klägers vom 10. Juni 1997 beigefügte Entlassungsschein der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit vom 09. Juni 1997, wegen dessen Inhalts auf Bl. 48 d. A. Bezug genommen wird.

Das Arbeitsgericht Halberstadt hat durch Beschluß vom 10. Juli 1997 – 3 Ca 943/97 –, wegen dessen Inhalt auf Bl. 70 ff. d. A. Bezug genommen wird, den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und den Einspruch des Klägers gegen das o. g. Versäumnisurteil vom 14. Mai 1997 als unzulässig verworfen.

Dieser Beschluß wurde dem Kläger am 15. Juli 1997 zugestellt. Dagegen richtet sich dessen sofortige Beschwerde vom 22. Juli 1997 – eingegangen beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt am 25. Juli 1997 – und die sofortige Beschwerde seiner bisherigen Prozeßbevollmächtigten vom 25. Juli 1997 – eingegangen beim Arbeitsgericht Halberstadt am 28. Juli 1997 –. Wegen des Inhalts der Beschwerdebegründung wird auf den Klägerischen Schriftsatz vom 03. September 1997 (Bl. 96 – 100 d. A.) und wegen der Inhalte der Beschwerdeerwiderungen auf die Schriftsätze der beklagten Partei vom 10. September 1997 (Bl. 102 d. A.) und vom 18. September 1997 (Bl. 103 – 104 d. A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

I.

Die an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist ohne weiteres zulässig.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist auch in vollem Umfang begründet. Der vom Kläger angegriffene Beschluß des Arbeitsgerichts Halberstadt vom 10. Juli 1997 durfte nicht ergehen. Das Arbeitsgericht ist bereits zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger eine Prozeßhandlung – Einlegung des Einspruchs gegen das o. g. Versäumnisurteil vom 14. Mai 1997 – versäumt habe, weil er diese nicht fristgerecht in dem dafür vorgesehenen Zeitraum vorgenommen habe.

1. Gegen ein Versäumnisurteil kann eine Partei, gegen die das Urteil ergangen ist, binnen einer Notfrist von 1 Woche nach seiner Zustellung Einspruch einlegen (§ 59 Satz 1 ArbGG). Diese Wochenfrist zur Einlegung des Einspruchs beginnt also mit der ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils. Das wird in § 59 ArbGG vorausgesetzt. An einer solchen ordnungsgemäßen Zustellung des Versäumnisurteils vom 14. Mai 1997 fehlt es hier. Dieses Versäumnisurteil wurde dem Kläger ausweislich Bl. 46/46 R d. A. durch Niederlegung (also gemäß § 182 ZPO – Ersatzzustellung durch Niederlegen) zugestellt. Voraussetzung für eine solche Zustellung gemäß § 182 ZPO ist es, daß die Ersatzzustellung nach § 181 ZPO undurchführbar ist, insbesondere der Zustellungsadressat nicht angetroffen wird, die Zustellung also erfolglos versucht worden ist. Deshalb ist die Zustellung gemäß § 182 ZPO ausgeschlossen, wenn der Empfänger wegen mindestens mehrmonatiger Haft nicht mehr dort wohnt, sondern in der Vollzugsanstalt (Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 182 Rz. 1 m. w. N.). Dazu heißt es auch bei Zöller-Stöber, ZPO, 20. Aufl., § 182 Rz. 1 hinsichtlich des vorherigen vergeblichen Zustellungsversuches an den Zustellungsadressaten in seiner Wohnung, daß diese nicht aufgegeben sein darf, was insbesondere bei Haft eine sorgfältige Prüfung erfordere. Demgemäß heißt es bei Zöller-Stöber, a. a. O., § 181 Rz. 7: „Trotz Fortbestehens der äußerlich erkennbaren Wohnbedingungen gilt die Wohnung bei längerer Abwesenheit nicht mehr als geeigneter Wohnungsort, wenn – insbesondere bei dem Fehlen von Familienangehörigen – mit einer baldigen Kenntnis der Sendung durch den Adressaten nicht zu rechnen ist. Dafür genügt Strafhaft von 1 Monat (BGH NJW 51, 931), von 2 Monaten (BGH MDR 78, 558 = NJW 78, 1858) sowie von 4 Monaten (Hamm, RPfleger 77, 177) oder von mehreren Monaten (München, JurBüro 90, 5...

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