Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieb. Betriebsrat. Betriebsteil. Betriebsbedingte Kündigung in der Insolvenz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber kann in einem Betrieb oder Betriebsteil durchaus mehrere arbeitstechnische Zwecke verfolgen.

2. Es ist anerkanntes Recht, dass ein Betrieb bzw. Betriebsteil im Sinn einer wirtschaftlichen Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden darf.

3. Ist in einer räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernten Beschäftigungsbetriebsstätte selbst kein Betriebsrat gewählt, muss der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess die Tatsachen vortragen, aus denen sich etwa eine Anhörungspflicht des im Hauptbetrieb bestehenden Betriebsrats ergeben kann.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 23.02.2010; Aktenzeichen 6 Ca 1240/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.12.2011; Aktenzeichen 8 AZR 692/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 23.02.2010 – 6 Ca 1240/09 – wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 12.500,00 festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit dem „Anstellungs-Vertrag” vom 23.08.1999 wurde die Klägerin von der (damaligen) L. Aktiengesellschaft mit Wirkung vom 01.11.1999 „unter Fortführung des seit dem 01.01.1999 bestehenden Arbeitsverhältnisses”) „im Betriebsteil L. B.K. als Reiseverkäuferin eingestellt” [Anm.: „L.” bedeutet L.-Technik-Center]. Durch formwechselnde Umwandlung der L. Aktiengesellschaft gemäß Umwandlungsbeschluss vom 13.12.2005 entstand in der Folgezeit die L. GmbH, die spätere Insolvenzschuldnerin (vgl. Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Fürth HRB 00000, Bl. 296 f. d.A.). Mit dem Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.09.2009 – 000 IN 000/09 – wurde über das Vermögen der L. GmbH (Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet. Gleichzeitig wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt (Beschluss vom 01.09.2009, Bl. 12 f. d.A.). Im L. B.K. wurden vorwiegend technische Geräte an Endkunden verkauft.

Die von der Klägerin auf ihrem Arbeitsplatz im L. B.K. ausgeübte Tätigkeit bestand (allerdings) in dem Verkauf bzw. in der Vermittlung des Verkaufs von Reisen bzw. der Vermittlung von Reiseleistungen. Nach näherer Maßgabe des Geschäftsbesorgungsvertrages vom 20.06.2008 (bzw. 20.08.2008; Bl. 268 ff. d.A.), den die L. GmbH unter Beteiligung von T. Touristik GmbH mit der N. Urlaubswelt GmbH & Co. KG (folgend: N.) abgeschlossen hatte, bediente sich die N. als Haupt-Reiseagentur der L. GmbH als Unteragentur. In Ziffer 3 – Vertragsgegenstand – heißt es u.a.:

„… Ein Geschäftsbesorgungsvertrag kommt somit zwischen N. und L. zustande, ein Vermittlungsvertrag zwischen L. und den jeweiligen Endkunden

sowie

ein Reiseagenturvertrag zwischen der N. und dem jeweiligen Veranstalter/Leistungsträger”.

In Ziffer 4 – „Pflichten von N.” – des Vertrages vom 20.06.2008 heißt es u.a., dass N. L. die entsprechenden Buchungsterminals kostenfrei zur Verfügung stellt und

dass N. L. mit Prospektmaterial, Werbematerialien, Katalogen und sonstigen erforderlichen Unterlagen angemessen und rechtzeitig versorgen wird.

Im Übrigen wird auf den Pflichtenkatalog zu Ziffer 4 des Vertrages verwiesen (Bl. 270 f. d.A.).

Die „Pflichten von L.” werden in Ziffer 5 des Vertrages vom 20.06.2008 geregelt (s. dazu im Einzelnen Bl. 271 ff. d.A.).

In Ziffer 6 des Vertrages wird die „Rolle des N.-Außendienstes” geregelt (s. dazu Bl. 273 d.A.). Gemäß Ziffer 10 des Vertrages vom 20.06.2008 trat das durch diesen Vertrag begründete Vertragsverhältnis am 01.05.2008 in Kraft. Erstmals kündbar war bzw. ist das Vertragsverhältnis zum 31.10.2011.

Mit dem Schreiben vom 24.09.2009 (K 9 = Bl. 310 d.A.) wurde der T. C. Touristik GmbH (von Seiten des Beklagten bzw. in dessen Vollmacht) mitgeteilt, „dass der Insolvenzverwalter in den oben genannten Vertrag” [Anm.: gemeint ist der Geschäftsbesorgungsvertrag] „nicht eintritt und dessen Erfüllung gem. § 103 InsO ausdrücklich ablehnt”.

Soweit es um die sogenannten „Reiseschalter” in den L.-Technik-Centern (L.) geht, werden im Bescheid der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, K., vom 19.07.2010 (Bl. 263 ff. d.A. = Bescheid S. 2 = Bl. 264 d.A.) Ausführungen einer Rechtsanwältin K. (Stellungnahme „im Auftrag des Insolvenzverwalters”) sinngemäß wie folgt wiedergegeben:

Zwar habe es mit Wirkung zum 01.01.2005 einen Verkauf der eigenständigen Reisebüroeinheiten des Teilbereichs der ReiseL. an die N. Urlaubswelt GmbH & Co. KG gegeben. Gegenstand dieses Verkaufs wäre jedoch nur der Betriebsteil Reise L. mit den einzelnen Reisebüroeinheiten gewesen. Die Reiseschalter in den L.-Technik-Centern hätten nicht zur Reise L. gehört und seien damit nicht Bestandteil des Kauf- und Übertragungsvertrages zwischen der damaligen L. AG und der N. Urlaubswelt GmbH & Co. KG gewesen. Das Arbeitsverhältnis mit Frau C. [Anm.: der Klägerin des vorliegenden Verfahrens] wär...

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