Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung. Kündigung. Selbstbindung. Verhalten. Sexuelle Belästigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Belästigt ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz eine Kundin seines Arbeitgebers sexuell, so stellt ein derartiges Verhalten einen „an sich” wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Entsprechendes kann (auch) für ähnlich unzulässige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers gelten, die sich noch nicht als sexuelle Belästigung darstellen.

2. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers setzt gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt auch für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG §§ 1, 9 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 14.08.2008; Aktenzeichen 2 Ca 438/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.06.2010; Aktenzeichen 2 AZR 297/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 – Az: 2 Ca 438/08 – wird kostenpflichtig – unter Zurückweisung des Auflösungsantrages – zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen, soweit der Auflösungsantrag zurückgewiesen wurde, – im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der am 06.06.1961 in Lagos/Nigeria geborene Kläger ist verheiratet (– der Kläger macht geltend, dass er Vater dreier Kinder sei, für die er aufkommen müsse; von Arbeitgeberseite wurde dagegen in den Benachrichtigungsschreiben vom 17.03.2008, Bl. 33 und 41 d.A., gegenüber der Betriebsvertretung angegeben, dass der Kläger verheiratet „ohne weitere unterhaltsberechtigte Personen” sei –).

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei den US-Streitkräften beschäftigt (– vgl. dazu den „E. C.” vom 10.12.1996, Bl. 210 d.A.). Zuletzt arbeitete der Kläger als Ladengehilfe in dem D.C.-Supermarkt V. „U. 0000”). Bei einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 3/7 belief sich das Grundentgelt auf monatlich 1.995,88 EUR brutto und das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt durchschnittlich auf ca. 2.500,00 EUR brutto.

Die D.C. (D. C. A.) ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte (Supermärkte) für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält (eine der Abteilungen der D.C. ist die D.C. Europe; vgl. zur Einordnung der D.C.: BAG v. 09.02.1993 – 1 ABR 33/92 – und LAG Rheinland-Pfalz vom 10.11.1994 – 9 TaBV 30/94 –). Es existiert die „Instruction” (folgend: Dienstvorschrift) 36-702 (G) vom 11.08.2006 (Bl. 46 ff. d.A.). Dort heißt es u.a. auf Seite 1:

„… Sie [– gemeint: die Dienstvorschrift –] gilt für alle nicht-amerikanischen Zivilbeschäftigten der U.S.-Streitkräfte und Einrichtungen des U.S.-Verteidigungsministeriums, die von einem Zivilpersonalbüro (CPF) der US-Luftwaffe verwaltet und deren Beschäftigungsbedingungen durch den Tarifvertrag (TVAL II) oder einen daran angelehnten Einzelarbeitsvertrag geregelt werden …”.

In dieser Dienstvorschrift 36-702 (G) sind u.a. Regelungen enthalten über „Zuständigkeiten und Vollmachten” (s. dazu insbesondere die Regelungen unter Ziffer 3., 3.3.6), „disziplinarische Maßnahmen” (Regelungen unter Ziffer 6. ff. und über Abmahnungen, s. dazu insbesondere Ziffer 7.4.2 (= Bl. 53 d.A.).

Der Arbeitgeber wirft – nach näherer Maßgabe des schriftsätzlichen Vortrages der Beklagten – dem Kläger vor,

am 11.03.2008 im Supermarkt V. die Kundin A. M. A. sexuell angegriffen zu haben. Der Kläger habe in aggressiver Weise die Hand der Kundin gepackt und folgende Bemerkung gemacht:

„Ich möchte einfach diesen mmmh klatschen”.

Dabei habe der Kläger für „klatschen” das Wort „spanking” verwandt „schlagen, insbesondere mit offener Handfläche auf die Gesäßbacken schlagen”). Die Kundin habe ihre Hand losgerissen und den Kläger gefragt, ob er verrückt geworden sei. Der Kläger habe auf diesen Vorhalt nicht reagiert, sondern bemerkt: „Ich möchte Dich klatschen und dann möchte ich, dass Dein Ehemann kommt und mich fragt, warum ich Dich geklatscht habe”.

Die Beklagte verweist auf die von den US-Streitkräften aufgenommene Aussage der A. M. A. vom 11.03.2008 (Bl. 26 f. d.A.).

Am 14.03.2008 wurde der Kläger (von den US-Streitkräften) vernommen (s. dazu die Übersetzung der Aussage Bl. 28 d.A.).

Innerbetrieblich bzw. von den US-Streitkräften weiter vernommen wurden u.a.:

  • die C. T., Marktleiterin des Supermarktes, und
  • der G. W., Abteilungsleiter.

Mit dem Schreiben vom 25.03.2008 (Bl. 6 d.A.) wurde dem Kläger außerordentlich gekündigt, weil er am 11.03.2008 eine Kundin sexuell belästigt habe. Weiter heißt es im K...

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