Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsbeiordnung. Prozesskostenhilfe. Rechtsanwalt, auswärtiger. Reisekosten. Verkehrsanwalt. Anwaltsbeiordnung mit Erstattung seiner Reisekosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ein Rechtsanwalt grundsätzlich nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten, insbesondere Reisekosten des Rechtsanwalts von seinem Kanzleisitz zum Gerichtsort, nicht entstehen.

2. Bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen bzw. kanzleiansässigen Rechtsanwalts ist jedoch stets zu prüfen, ob „besondere Umstände” für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts im Sinne des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts” beigeordnet werden (BAG v. 18.7.2005 – 3 AZR 65/03, BGH v. 23.06.2004, XII ZB 61/04 = NJW 2004, 2749).

 

Normenkette

RVG § 48 Abs. 1; ZPO § 121 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 27.09.2005; Aktenzeichen 9 Ca 2085/05)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der die Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz, Auswärtige Kammern Neuwied, vom 27. Sept. 2005 dahingehend abgeändert, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Reisekosten aus der Landeskasse bis zu dem Betrag zu erstatten sind, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwalts angefallen wäre. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Gebühren für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war bei den Beklagten mehrere Monate lang als Fahrer beschäftigt, ohne dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag bestanden hat. Er hat Zahlungsklage in Höhe von 14.364,– Euro brutto abzüglich 1.030,– Euro netto erhoben und sich zudem gegen eine außerordentliche Kündigung, die von den Beklagten im Laufe des Rechtsstreits ausgesprochen wurde, zur Wehr gesetzt. Der Kläger wohnt in A-Stadt. Er hat die Klage über die in B-Stadt ansässigen Rechtsanwälte beim zuständigen Arbeitsgericht in Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – eingereicht. Entsprechend dem Wohnsitz der Beklagten wurde der Rechtsstreit bei den Auswärtigen Kammern in Hachenburg verhandelt. Die Entfernung zwischen B-Stadt und Hachenburg beträgt rund 80 Kilometer. Der Wohnort des Klägers ist etwa 5 Kilometer vom Kanzleisitz seiner Prozessbevollmächtigten entfernt. Diese haben zusammen mit der Klageschrift für den Kläger Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung beantragt.

Im Gütetermin haben die Parteien den Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleiches gütlich beigelegt.

Gleichzeitig hat das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn RA L., B-Stadt, zu den Bedingungen eines B. Rechtsanwalts bewilligt.

Der gegen diese Einschränkung gerichteten sofortigen Beschwerde des Klägers half das Arbeitsgericht nicht ab und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist ganz überwiegend begründet. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger klargestellt, dass er und nicht sein Prozessbevollmächtigter Beschwerdeführer ist. Der Kläger ist auch durch die Entscheidung beschwert, weil ansonsten er seinem Prozessbevollmächtigten die Reisekosten aus eigener Tasche zu erstatten hätte.

Die Beschwerde ist zum ganz überwiegenden Teil begründet.

Zwar ist es im arbeitsgerichtlichen Verfahren zulässig, einen Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beizuordnen. Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Da es im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Rechtsanwalts-”Zulassung” gibt, sind die nach § 11 a Abs. 3 ArbGG „entsprechend” anwendbaren Vorschriften der ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren dahingehend auszulegen, dass in § 121 Abs. 3 ZPO nicht auf die Zulassung eines Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht, sondern auf dessen Ansässigkeit am Ort des Gerichts abzustellen ist (BAG v. 18.07.2005 – 3 AZB 65/03). Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts kann deshalb lediglich erfolgen, wenn dadurch zusätzliche Kosten nicht entstehen. Dieser Grundsatz ist Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung und daher von Amts wegen in dem Beiordnungsbeschluss aufzunehmen. Das folgt aus der Verknüpfung des Erstattungsanspruchs mit dem Beiordnungsbeschluss nach dem Gebührenrecht, weil sich die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, bestimmt (§ 48 Abs. 1 RVG).

Ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann der Partei auf Antrag beigeordnet werden, wenn dadurch keine höheren Kosten für die Staatskasse entstehen. Das ist etwa der Fall, wenn der Rechtsanwalt ...

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