Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Änderungsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

Haben die Parteien des Arbeitsvertrages in einer Änderungsvereinbarung sich auf eine neue Festlegung der Beschäftigungszeit und der Wochenarbeitszeit geeinigt und heißt es weiter, dass weitere Paragraphen des übrigen Arbeitsvertrages unberührt bleiben, so wird eine ursprünglich vereinbarte Bezugnahmeklausel inhaltlich nicht geändert. Denn die Formulierung "weitere Paragraphen bleiben unberührt" kann nicht dahingehend verstanden werden, dass die Vertragsparteien sich über den Inhalt und die Geltung dieser anderen Vertragsklausel nochmal Gedanken gemacht und sie "als Neuvertrag" in ihre Willensbildung mit aufgenommen hätten.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Bamberg (Entscheidung vom 18.04.2013; Aktenzeichen 4 Ca 548/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.12.2016; Aktenzeichen 4 AZR 414/14)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 18.04.2013, Az. 4 Ca 548/12, abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen einer Insolvenzforderung.

Die Klägerin ist bei der Insolvenzschuldnerin seit 01.01.1992 als Krankenschwester beschäftigt, zuletzt mit einer Wochenarbeitszeit von 120 Monatsstunden. Hierfür erhält sie ein Entgelt in Höhe von 1.851,15 € brutto monatlich. Im Anstellungsvertrag vom 30.09.1992 ist, soweit vorliegend von Interesse, folgendes geregelt (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 8 ff. d.A.):

§ 2 Anwendung von Tarifverträgen

Auf das Arbeitsverhältnis finden in der jeweils gültigen Fassung

a) der Bundesmanteltarifvertrag zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkrankenanstalten e.V. (BDKP) einerseits und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft andererseits,

b) der Vergütungs- und Lohntarifvertrag zwischen dem Verband der Privatkrankenkassen e.V. (BDPK) einerseits und der Bezirksverwaltung ... der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie dem Landesverband ... der Deutschen Angestellten Gewerkschaft andererseits.

c) Das Krankenhaus behält sich vor, gegebenenfalls außertarifliche Leistungen auf allgemeine Tariferhöhungen anzurechnen.

§ 6 Vergütung

Fr. M... wird in die Vergütungsgruppe KR IV (§ 4/Anlage 4 des Vergütungstarifvertrages) eingereiht.

Die vertraglich geschuldete Arbeitszeit der Klägerin hat sich im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses mehrfach geändert. Mit Änderungsvereinbarung vom 09.12.2003 wurde folgendes geregelt (Anlage K 3, ebenda, Bl. 14 d.A.):

Die Vertragsparteien stimmen überein, dass der § 7 - Beschäftigungszeit - des am 30.09.1992 geschlossenen Arbeitsvertrages gegenstandslos ist und durch folgenden ersetzt wird.

§ 7 Beschäftigungszeit

(1) Die Beschäftigungszeit (§ 9 des Bundesmanteltarifvertrages) beginnt am 01.09.2003. Frau B... wird auf Ihren eigenen Wunsch mit 100 Stunden monatlich beschäftigt.

Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom 30.09.1992 bleiben unberührt.

Die Beklagte, die das Krankenhaus, in dem die Klägerin eingesetzt ist, betreibt, war bis 31.12.1993 Mitglied des Verbands der Privatkrankenanstalten in Bayern e.V. (VOKA). Seit dem 01.01.1994 besteht nur noch eine außerordentliche Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Für neu eintretende Arbeitnehmer hat die Beklagte ein neues Regelwerk geschaffen, dessen Inhalts wegen auf die mit Schriftsatz vom 04.03.2013 vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird (Anlage B 1, Bl. 70 ff. d.A.). Über das Vermögen der Arbeitgeberin ist mit Beschluss des Amtsgerichts Coburg vom 30.07.2012 Insolvenz eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 14.09.2012 die streitgegenständliche Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet.

Die Klägerin hat mir ihrer am 03.07.2012 zum Arbeitsgericht Bamberg, Kammer Coburg, erhobenen Klage zunächst Zahlung tariflicher Vergütung gegenüber ihrer Arbeitgeberin geltend gemacht, ihre Ansprüche nach Insolvenzeröffnung auf Feststellung zur Insolvenztabelle umgestellt. Sie vertritt die Auffassung, die Insolvenzschuldnerin habe ihr eine zu geringe Vergütung gezahlt. Sie habe Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 8 - nichtärztlicher Bereich - des Entgelttarifvertrags Nr. 3, Beschäftigungsstufe VI bzw. ab 01.11.2011 Beschäftigungsstufe VII. Unter Berücksichtigung des Teilzeitfaktors ergebe sich eine Vergütungspflicht von 2.341,93 € bzw. 2.434,37 € brutto monatlich. Die Differenz zum Betrag von 1.815,15 € habe sie mit Schreiben vom 03.01.2012 ab 01.07.2011 geltend gemacht. Die Klägerin meint, die Forderung sei deswegen berechtigt, weil aufgrund der Änderungsvereinbarung mit dem Inhalt, dass die übrigen Vertragsbestimmungen unberührt bleiben sollten, eine dynamische Verweisung auf die jeweiligen Bestimmungen des Tarifvertrages begründet worden sei. Die ursprün...

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