Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein deutscher Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften, der Ersatzmitglied einer Betriebsvertretung ist und wegen der Verhinderung eines Vollmitglieds an einer Sitzung der Betriebsvertretung teilgenommen hat, genießt den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

2. Im Falle der Schließung der Dienststelle, in der das (Ersatz-)Mitglied der Betriebsvertretung beschäftigt ist, ist dem (Ersatz-)Mitglied der Betriebsvertretung ein vergleichbarer freier Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle anzubieten.

 

Normenkette

NATO-ZusAbk Art. 56 Nr. 1 Buchst. a; KSchG § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 18.02.1993; Aktenzeichen 5 Ca 1563/92 A)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 18.02.1993 – 5 Ca 1563/92 A – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der Kläger ist seit Oktober 1982 bei den US-Streitkräften in A. als Wohnungs-Inspektor (Dienststelle: Base Suppert Batallion) beschäftigt. Er ist Ersatzmitglied der örtlichen Betriebsvertretung und hat in dieser Funktion am 27.08.1992 an einer Sitzung der Betriebsvertretung teilgenommen.

Mit Schreiben vom 09.09.1992 kündigten die US-Streitkräfte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.1993 wegen der Auflösung der Dienststelle des Klägers.

Der vom Kläger am 29.09.1992 zum Arbeitsgericht Würzburg erhobenen Klage, mit der er die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses begehrte, hat das Arbeitsgericht mit Endurteil vom 18.02.1993 wegen nicht ordnungsgemäßer Information der Betriebsvertretung über die Kündigungsgründe stattgegeben und den Streitwert auf DM 10.200,– festgesetzt. Auf den Tatbestand dieses Urteils wird Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Gegen dieses ihr am 12.03.1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 13.04.1993 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 08.04.1993 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 14.06.1993 mit Schriftsatz vom 14.06.1993 – beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen – begründet.

Die Beklagte trägt vor:

Der Arbeitsplatz des Klägers sei wegen der Auflösung seiner Dienststelle weggefallen. Bei der Standortverwaltung seien zwei freie Stellen für Verwaltungsangestellte, im Lebensmittelmarkt eine freie Stelle für einen Lagerverwalter und in der Schule eine freie Stelle für einen Materialverwaltungsangestellten mit sozial schwächeren Mitarbeitern besetzt worden. Für den Kläger habe keine Umsetzungsmöglichkeit bestanden. Der Kläger habe ein Angebot für eine Facharbeiterstelle in D. abgelehnt. Die Kündigung sei wirksam.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg – Kammer Aschaffenburg – Az.: 5 Ca 1563/92 A vom 28.1.1993 wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klagepartei trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 18.02.1993 – 5 Ca 1563/92 A – als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor:

Die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil er als Verwaltungsangestellter, Lagerverwalter oder Materialverwaltungsangestellter auf den von der Beklagten genannten freien Arbeitsplätzen in A. eingesetzt hätte werden können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht und in der vorgeschriebenen Form eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 516, 518 f. ZPO).

II.

Die Berufung ist Jedoch im Ergebnis unbegründet, da die Kündigung wegen Verstoßes gegen die Kündigungsschutzvorschrift des § 15 KSchG unwirksam ist.

1. Für deutsche Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften, die Mitglieder einer Betriebsvertretung sind, ist aufgrund der allgemeinen Verweisungsbestimmung des Art. 56 Nr. 1 Buchst. a NATO-ZusAbk § 15 KSchG anwendbar (BAG, EzA Nr. 26 zu § 15 KSchG n.F.; KR-Weigand, 3. Aufl., Anm. 29 zu Art. 56 NATO-ZusAbk). Der Kläger hat am 27.08.1992 für ein verhindertes Mitglied an der Sitzung der Betriebsvertretung teilgenommen. Nach der Beendigung des Vertretungsfalles ist er wieder aus dem Gremium ausgeschieden. Damit ist die Kündigung vom 09.09.1992 nach der Beendigung der Amtszeit des Klägers ausgesprochen worden. Auch als zeitweilig nachgerücktes Mitglied der Betriebsvertretung steht dem Kläger nach herrschender Meinung, der die Kammer folgt, der Schutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu (BAG, EzA Nr. 23 zu § 15 KSchG n.F.; LAG Baden-Württemberg, DB 79, 118; Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, Komm. zum BetrVG, 16. Aufl., Anm, 8 zu § 25; KR-Etzel, a.a.O., Anm. 65 zu § 15 KSchG). Auch dem nachgerückten Ersatzmitglied ist der nachwirkende Kündigungsschutz zu gewä...

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