Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrats beim Arbeitsschutz. Unbegründeter negativer Feststellungsantrag der Arbeitgeberin bei Beauftragung eines Drittunternehmens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Mitbestimmungsrechts können im Beschlussverfahren gelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, im Betrieb häufiger auftritt und sich auch künftig jederzeit wiederholen kann.

2. Der Betriebsrat hat sowohl im Rahmen des § 5 ArbSchG (Beurteilung der Arbeitsbedingungen) als auch im Rahmen des § 12 ArbSchG (Unterweisung) ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

3. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entfällt nicht dadurch, dass die Arbeitgeberin ihre Verpflichtungen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht selbst erfüllt sondern sich hierzu gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG eines anderen Unternehmens bedient; die Übertragung der Aufgaben auf einen (geeigneten) Dritten lässt die öffentlichrechtliche Verantwortlichkeit der Arbeitgeberin nicht entfallen.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbSchG §§ 5, 12, 13 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 22.11.2011; Aktenzeichen 7 BV 33/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 30.09.2014; Aktenzeichen 1 ABR 106/12)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 22.11.2011 - 7 BV 33/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Antragsgegner im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutzgesetz Mitbestimmungsrechte zustehen.

Die Antragstellerin gehört der H...gruppe an und betreibt ein Logistikunternehmen. Sie hat Standorte in H... und G.... In G... befindet sich ein Call-Off-Lager. Der Antragsgegner ist der in G... gewählte Betriebsrat.

Die Antragstellerin schloss am 06.10.2008 mit der Firma G... (...), nunmehr firmierend unter A... einen "Dienstvertrag über sicherheitstechnische Dienstleistungen nach dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und anderer Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz)". Wegen der Einzelheiten des Dienstvertrags wird auf die vorgelegte Kopie des Vertrags sowie des Leistungsumfanges Bezug genommen (Bl. 31 bis 35 d.A.).

Der Antragsgegner legte der Antragstellerin unter dem 14.01.2010 den Entwurf einer "Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Gesundheitsförderung" vor. Hierzu wurde eine Einigungsstelle eingerichtet. Die Einigungsstelle befasste sich in einer Sitzung mit der Frage ihrer Zuständigkeit und ruht derzeit.

Die Antragstellerin leitete am 14.10.2010 beim Arbeitsgericht Würzburg das vorliegende Verfahren mit dem Ziel ein, feststellen zu lassen, dass ein Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners bei der Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß § 5 ArbSchG und bei der Unterweisung der Beschäftigten gemäß § 12 ArbSchG nicht bestehe.

Mit Beschluss vom 22.11.2011 wies das Arbeitsgericht Würzburg die Anträge zurück.

Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 30.11.2011 zugestellt.

Die Antragstellerin legte gegen den Beschluss am 23.12.2011 Beschwerde ein und begründete sie am 27.01.2012.

Die Antragstellerin trägt vor, das Unternehmen A... verfüge über ausgebildete Fachkräfte mit Abschluss und sicherheitstechnischen Zusatzausbildungen.

Die Antragstellerin führt aus, da die A... die Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung in eigener Verantwortung durchführe, bestehe hinsichtlich der Art und Weise, wie Gefährdungsanalysen und Unterweisungen durchgeführt würden, kein Mitbestimmungsrecht mehr. Dies ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des § 13 Absatz 2 ArbSchG. Der Umstand, dass die A... Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung in eigener Verantwortung durchführe, habe zur Konsequenz, dass sie selbst, die Antragstellerin, nicht mehr verpflichtet sei, diese Aufgaben durchzuführen. Dies wiederum führe angesichts der Akzessorietät der Mitbestimmungsrechte aus § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG dazu, dass insoweit auch keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (mehr) bestünden.

Die Antragstellerin macht geltend, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG bestehe nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Die Übertragung der Verantwortung gemäß § 13 Absatz 2 BetrVG sei Teil dieses gesetzlichen Rahmens.

Dieses Ergebnis entspreche auch der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.08.2009 (1 ABR 43/08).

Die Antragstellerin beantragt:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 02. November 2011 (Aktenzeichen 7 BV 33/10) ist abzuändern und

1. festzustellen, dass der Beteiligte zu 2. bei der eigenverantwortlichen Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG durch die A... im Betrieb der Arbeitgeberin in G... kein Mitbestimmungsrecht hat;

hilfsweise

festzustellen, dass der Beteiligte zu 2 bei der eigenverantwortlichen Ermittlung der Gefährdungen und bei der eigenverantwortlichen Beurteilung der Gefährdungen gemäß § 5 ArbSchG du...

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