Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines JAV-Mitglieds nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses bei Einsatz von Leiharbeitnehmern. Sonstiges

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht ein dauerhafter Bedarf an der Beschäftigung eines Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers, ist diesem die Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach dessen Beendigung seines Ausbildungsverhältnisses nicht unzumutbar i.S.d. § 78 a Abs. 4 S. 1 BetrVG.

Die vom Arbeitgeber getroffene Entscheidung, kein neues Personal mehr einzustellen, sondern entstehenden Beschäftigungsbedarf durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern zu decken, führt nicht zum Wegfall von Arbeitsplätzen.

 

Normenkette

BetrVG § 78a

 

Verfahrensgang

ArbG Bayreuth (Beschluss vom 02.11.2005; Aktenzeichen 1 BV 15/05)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 02.11.2005, Aktenzeichen: 1 BV 15/05, abgeändert.

2. Der Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Frage, ob das zwischen der Antragstellerin und dem Beteiligten B. gesetzlich gemäß § 78 a BetrVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen ist.

Der Beteiligte B. absolvierte im Zeitraum vom 01.10.2002 bis zum 30.09.2005 seine Ausbildung zum Krankenpfleger; er war Mitglied der bei der Antragstellerin existierenden Jugend- und Auszubildendenvertretung. Mit Schreiben vom 10.07.2005 bat er um Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach Abschluss seiner Ausbildung; mit Schreiben vom 08.09.2005 teilte er ergänzend mit, dass er hilfsweise auch bereit wäre, ein befristetes oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis bei der Antragstellerin anzunehmen oder vorübergehend auch in einem anderen Beruf als dem des Krankenpflegers zu arbeiten.

Die Antragstellerin ist der Meinung, ihr sei die Weiterbeschäftigung des Beteiligten B. nicht zuzumuten, weil im Zeitraum der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses des Beteiligten B. für diesen kein Beschäftigungsbedarf vorhanden gewesen sei. Sofern bei ihr ein Bedarf an zusätzlicher Dienstleistung über den mit den vorhandenen Arbeitskräften abgedeckten Umfang hinaus bestehe, werde dieser ausschließlich über die „C. Servicegesellschaft mbH” durch eine Art Arbeitnehmerüberlassung gedeckt. Diese Gesellschaft sei aufgrund eines Beschlusses vom 28.06.2005 der Verbandsversammlung des Krankenhauszweckverbandes D., der rechtlicher Träger der Antragstellerin sei, gegründet worden.

Der Beteiligte B. geht davon aus, dass für ihn im Anschluss an seine Ausbildung ein Beschäftigungsbedarf vorhanden gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht hat auf Antrag der Antragstellerin das ab 01.10.2005 begründete Arbeitsverhältnis des Beteiligten B. aufgelöst. Der Antragstellerin sei es, bezogen auf den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 30.09.2005, unzumutbar gewesen, den Beteiligten B. weiterzubeschäftigen, da kein freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen sei. Bei dieser Beurteilung sei das Arbeitsgericht an die unternehmerische Entscheidung der Antragstellerin gebunden, künftig, insbesondere im Krankenpflegebereich, kein eigenes Personal mehr neu einzustellen, sondern sich der von der C. Service GmbH eingestellten Arbeitnehmer zu bedienen. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.

Im Beschlussverfahren wiederholen die Beteiligten im Wesentlichen ihre bereits erstinstanzlich vertretenen Auffassungen.

Die Antragsgegner beantragen:

  1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 02.11.2005, Aktenzeichen: 1 BV 15/05, wird abgeändert.
  2. Der Antrag der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Beschwerdeführer kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen des Beschwerdevorbringens aller am Verfahren Beteiligten wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Ein auf fristgemäßes Verlangen eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung gemäß § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG zustande gekommenes Arbeitsverhältnis ist auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 78 a Abs. 4 Satz 1 BetrVG aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Zur Begründung dieses Antrags beruft sich die Antragstellerin ausschließlich auf das Fehlen eines freien Arbeitsplatzes zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses des Beteiligten B..

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in Fällen, in denen kein andauernder Bedarf für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers vorhanden ist, dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unzumutbar im Sinne des § 78 a Abs. 4 Satz 1 BetrVG (BAG vom 06.11.1996, AP Nr. 26 zu § 78 a BetrVG 1972). Di...

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