Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Klagezulassung. Glaubhaftmachung. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kennt der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht und möchte die Arbeitnehmerin wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG Kündigungsschutzklage erheben, ist diese Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung zu erheben. § 4 Satz 4 KSchG ist nicht einschlägig.

2. Trotz des Wortlauts des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG sind die den Antrag auf nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen nicht glaubhaft zu machen, wenn sie der Arbeitgeber nicht bestreitet (§§ 294, 138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO). Ein Antrag gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 KSchG ohne Angabe der Mittel für die Glaubhaftmachung binnen der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist nicht endgültig unzulässig, sondern wird zulässig, wenn der Arbeitgeber die die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bestreitet (teleologische Reduktion).

 

Normenkette

KSchG § 4 Sätze 1, 4, § 5 Abs. 2, § 3; ZPO §§ 294, 138 Abs. 3, § 288 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 18.10.2006; Aktenzeichen 11 Ca 5519/06)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 31.10.2006 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.10.2006, 11 Ca 5519/06, wird auf Kosten der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag der Klägerin auf nachträgliche Klagezulassung vom 04.09.2006 verworfen wird.

2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 2.500,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten darum, ob die von der Klagepartei eingereichte Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen ist.

Mit Schreiben vom 11.04.2006 kündigte die Beklagte das am 11.03.2006 begründete Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit sofortiger Wirkung.

In der Kündigungsschutzklage ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.07.2006, beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, ist ausgeführt worden, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung schwanger gewesen sei, was sie jedoch erst am 12.07.2006 anlässlich eines Arztbesuches erfahren habe, nachdem sie „nach wie vor Regelblutungen gehabt habe”. Die Kündigung sei daher gemäß § 9 MuSchG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

Mittel der Glaubhaftmachung sind in der Kündigungsschutzklage nicht angegeben worden. Mit Schriftsatz vom 04.09.2006 haben sich die Klägerinvertreter darauf berufen, die Kündigungsschutzklage enthalte einen konkludenten Antrag auf nachträgliche Zulassung. Diesem Schriftsatz ist außerdem eine eidesstattliche Versicherung der Klägerin bezüglich weiterer Regelblutungen in den ersten Schwangerschaftsmonaten und der Kenntniserlangung von der Schwangerschaft am 12.07.2006 beigefügt worden.

Die Beklagte hat die Fortdauer weiterer Regelblutungen und den von der Klägerin vorgetragenen Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Schwangerschaft nicht bestritten. Sie hat die Meinung vertreten, dass in der Klageschrift ein Antrag auf nachträgliche Zulassung nicht gesehen werden könne.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat „den Antrag” auf nachträgliche Zulassung mit der Begründung als unzulässig verworfen, in der Kündigungsschutzklage könne kein Antrag auf nachträgliche Zulassung gesehen werden, im Übrigen sei die Glaubhaftmachung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung bezüglich des Termins der Kenntniserlangung von der Schwangerschaft zu spät erfolgt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss vom 18.10.2006 Bezug genommen.

Gegen den ihnen am 20.10.2006 zugestellten Beschluss haben die Klägerinvertreter mit Schriftsatz vom 31.10.2006, beim Arbeitsgericht Nürnberg am 02.11.2006 eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.10.2006 aufzuheben und die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Im Nichtabhilfebeschluss vom 15.11.2006 hat das Erstgericht seine Entscheidung vom 18.10.2006 aufrechterhalten.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Über die sofortige Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden entschieden werden (KR/Friedrich, 7. Auflage, Rdnrn. 141 f. zu § 5 KSchG; LAG Berlin, AuR 77, 346; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtskommentar, 5. Auflage, Rdnr. 13 zu § 78). Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist statthaft (§§ 5 Abs. 4 Satz 1 KSchG, 567 ZPO). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO).

2. Die sofortige Beschwerde kann gleichwohl im Ergebnis keinen Erfolg haben und ist zu verwerfen.

a) Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG angenommen. Der Sonderfall des § 4 Satz 4 KSchG, wonach mangels Bekanntgabe einer Zustimmungsentscheidung des Gewerbeaufsichtsamtes gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG die Klagefrist nicht zu laufen begonnen hätte (und damit die Kündigungsschutzklage rechtzeitig erhoben worden wäre), ist im vorliegenden Rechtsstrei...

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