Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtberücksichtigung von Erziehungsurlaubszeiten bei der Berechnung des Fallgruppenaufstiegs
Leitsatz (amtlich)
Nach § 5 des TV zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24.04.1991 muß die vierjährige Berufsausübung für eine Eingruppierung nach Vergütungsgruppe IV b BAT am 31.12.1990 vorliegen. Das gilt auch dann, wenn die Berufsausübungszeit wegen Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nicht erfüllt ist. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch Art. 119 EWG-V rechtfertigen eine Anrechnung des Erziehungsurlaubs oder bei Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ein Hinausschieben des Stichtags 31.12.1990.
Normenkette
BAT § 236; GG Art. 3 Abs. 1; EWGVtr Art. 119; TV zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24.04.1991 § 5
Verfahrensgang
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 22.03.1993; Aktenzeichen 2 Ca 1147/92 E) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 22.03.1993, 2 Ca 1147/92 E, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT ab 01.06.1990, hilfsweise ab 01.09.1991. Sie stützt ihren Anspruch auf Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 3 in Verbindung mit der Protokollnotiz Nr. 3 der Anlage 1 a zum BAT, Teil II G II in der bis 31.12.1990 anwendbaren Fassung des Tarifvertrages (im folgenden: Tarifvertrag Erziehungsdienst alt). Mit Wirkung vom 01.06.1990 erhielt die Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT gemäß Fallgruppe 1 k Tarifvertrag Erziehungsdienst alt. Die Parteien streiten über die Auswirkung von Erziehungsurlaub auf die Erfüllung der 4jährigen Berufsausübungszeit, die Klägerin macht einen Verstoß gegen Artikel 119 EWG-Vertrag geltend.
Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin und seit 06.03.1986 als pädagogische Mitarbeiterin in unterrichtsbegleitender Funktion an einer Sonderschule tätig. Der BAT findet kraft Tarifbindung Anwendung. Bis 31.08.1989 war die Klägerin mit der Hälfte, ab 01.09.1989 mit 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten tätig. Sie hat Erziehungsurlaub in Anspruch genommen vom 23.09.1987 bis 27.05.1988 sowie vom 09.08.1990 bis 12.06.1991.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeitszeiten seien trotz Teilzeitbeschäftigung voll anzurechnen, ebenso die Erziehungsurlaubszeiten. Selbst wenn der Erziehungsurlaub unberücksichtigt bleibe, sei am 31.12.1990 5/6 der Tätigkeitszeit abgeleistet gewesen. Die damit erworbene Anwartschaft habe durch die Neufassung des Tarifvertrages nicht beseitigt werden können.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.06.1990, hilfsweise seit dem 01.09.1991 nach der Vergütungsgruppe IV b BAT anstelle der Vergütungsgruppe V b BAT zu vergüten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, Erziehungsurlaubszeiten seien bei der Berechnung des Fallgruppenaufstiegs nicht zu berücksichtigen. Eine Berufsausübung sei in dieser Zeit nicht erfolgt. Die Zeit vom 28.05.1988 bis 08.08.1990 könne nicht voll berücksichtigt werden, weil die Klägerin mit Wirkung vom 01.09.1989 eine längere Arbeitszeit vereinbart habe, dies ergebe sich gemäß §§ 23 b, 23 a Satz 2 Nr. 6 b BAT. Bis 31.12.1990 habe die Klägerin die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV b BAT nicht erfüllt, sie habe deshalb keinen entsprechenden Anspruch erworben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt die Klägerin vor, die Zeiten ihrer Teilzeitbeschäftigung seien voll zu berücksichtigen. Soweit sich nach § 23 a Nr. 6 b BAT etwas anderes ergebe, sei festzustellen, daß diese Vorschrift wegen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG unwirksam sei. Im übrigen seien die Zeiten des Erziehungsurlaubs als Berufsausübungszeit zu berücksichtigen. Der Fallgruppenaufstieg sei nunmehr in § 23 b BAT abschließend geregelt, auf § 23 a BAT, der die Nichtanrechnung von Erziehungsurlaubszeiten regele, könne nicht zurückgegriffen werden. Erziehungsurlaub müsse insoweit wie Erholungsurlaub behandelt werden. Selbst wenn man den Erziehungsurlaub unberücksichtigt lasse, sei festzustellen, daß dann eine erhebliche Benachteiligung der Klägerin erfolge und ein Verstoß gegen Artikel 119 EWG-Vertrag vorliege. Durch den Erziehungsurlaub, der zu 95 % von Frauen in Anspruch genommen werde, werde der Klägerin auf Dauer die Möglichkeit einer Höherstufung nach Vergütungsgruppe IV b BAT genommen. Die Übergangsregelung des Tarifvertrages, die eine Berücksichtigung von Erziehungsurlaubszeiten nicht vorsehe, sei deshalb gemäß Artikel 119 EWG-Vertrag und auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anzupassen. Daß der Erziehungsurlaub überwiegend von Frauen in Anspruch genommen werde, ergebe sich auch aus einer Statistik für den Bereich der … Von 85 pädagogischen Mitarbeitern in unterrichtsbegle...