Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft von Dozenten an einer staatlich anerkannten privaten Schule für Physiotherapie und Massage. Betriebsübergang. Feststellungsinteresse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Feststellungsinteresse für eine Statusklage entfällt nicht bei einem Betriebsinhaberwechsel gemäß § 613 a BGB nach Rechtshängigkeit.

2. Zur Arbeitnehmereigenschaft von Dozenten an einer staatlich anerkannten privaten Schule für Physiotherapie und Massage, die vergleichbar einer Lehrkraft an allgemein bildenden Schulen in die Unterrichtsorganisation eingebunden sind.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 613a; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 07.03.2002; Aktenzeichen 4 Ca 229/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.07.2003; Aktenzeichen 5 AZR 595/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.03.2002, 4 Ca 229/01, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien mindestens seit dem 01.01.1995 bis zum 28.02.2002 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis über den 01.04.2001 hinausgehend mit einer Arbeitszeit von mindestens 20 Unterrichtsstunden wöchentlich bezogen auf 42 Unterrichtswochen im Jahr bis zum 28.02.2002 fortbestanden hat.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens bis teilweiser Erledigung der Hauptsache am 17.09.2002 wird auf 7.976,15 EUR festgesetzt, der Wert des weiteren Berufungsverfahrens auf 5.982,12 EUR.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Träger einer Vielzahl von privaten Schulen. U.a. betrieb sie bis zum 28.02.2002 in B. und H. Schulen für Physiotherapie und Massage. Diese Schulen für Physiotherapie und Massage sind mit Wirkung vom 01.03.2002 auf eine neu gegründete GmbH übertragen worden.

Der Kläger, ausgebildeter Masseur und medizinischer Bademeister, ist seit dem 01.12.1986 als Lehrkraft an der Schule in P. tätig, und zwar als Honorarkraft für zuletzt 40,– DM Vergütung pro Unterrichtsstunde. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er als Arbeitnehmer für die Beklagte tätig war und begehrt die Feststellungen, dass mindestens seit dem 01.01.1995 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und dass das Arbeitsverhältnis über den 01.04.2001 hinaus mit einer Arbeitszeit von 20 Unterrichtsstunden bestanden hat.

Die letzte schriftliche Vereinbarung der Parteien datiert auf den 01.10.1990 (Bl. 79 d.A.) und bestimmt u. a.:

  1. „Die Einstellung erfolgt als Lehrer (Honorarkraft) ab 01.10.90 für die Fächer in der Fachschule für Massage. Er verpflichtet sich, die mit ihm bis zu einer Höchststundenzahl von 20 Wochenstunden jeweils vereinbarten Stunden nach bestem Können das ganze Schulhalbjahr hindurch zu erteilen, bei jedem(r) Schüler(in) aufgrund der vorgeschriebenen Anzahl von Klassenarbeiten zu einer gerechten Gesamtnote zu kommen und den vorgeschriebenen Lehrstoff den Schüler(innen) im Unterricht zu vermitteln.
  2. Er verpflichtet sich, über alle Dinge, die er aufgrund der Tätigkeit an der Schule erfährt, Stillschweigen gegenüber Dritten zu bewahren, die Interessen der Schule wahrzunehmen und sich den Weisungen der Schulleitung zu fügen.”

Grundlage der Ausbildung in den Fächern Physiotherapie und Massage sind das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie vom 26.05.1994 (BGBl. I 1994, S. 1084) und die darauf basierenden Verordnungen über Ausbildung und Prüfung vom 06.12.1994 (BGBl. I 1994, S. 3770 und 3786). Masseure und medizinische Bademeister erhalten eine zweijährige Ausbildung an staatlich anerkannten Schulen, die mit einer staatlichen Prüfung abschließt und an die sich ein 6-monatiges Praktikum anschließt. Die Ausbildung zum Physiotherapeuten umfasst einen dreijährigen Lehrgang an staatlich anerkannten Schulen, in den die praktische Ausbildung integriert ist. Zum Abschluss erfolgt eine staatliche Prüfung.

Die Schulen der Beklagten für Physiotherapie und Massage waren staatlich anerkannt. Es handelt sich gemäß § 1 Abs. 5 Nds. Schulgesetz nicht um Schulen im Sinne des Schulgesetzes, die der staatlichen Schulaufsicht unterliegen. Genehmigung und Aufsicht erfolgt durch die Gesundheitsverwaltung.

Die Beklagte beschäftigte an diesen Schulen neben angestellten Lehrkräften selbständig tätige Honorarkräfte. Für den Ausbildungsgang Physiotherapie waren z. B. in H. 7 angestellte Lehrer eingesetzt. Für angestellte Vollzeitkräfte bestand eine Unterrichtsverpflichtung von 30 Stunden pro Woche.

Honorarkräfte reichten vor Beginn einer Unterrichtsperiode Unterrichts- und Zeitwünsche nach Formular ein. Zum einen waren in diesem Formular die gewünschten Klassen anzugeben. Zum anderen waren die gewünschten Unterrichtszeiten anzugeben nach folgenden Kategorien: Gewünschte Unterrichtsstunden waren mit einem X zu kennzeichnen, Unterrichtsstunden, die unter keinen Umständen gegeben werden sollten, waren zu streichen, Unterrichtszeiten, die ersatzweise zur Verfügung standen, waren frei zu lassen. Die Beklagte erstell...

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