Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer Kündigungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der in § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG bestimmten vierwöchigen Kündigungsfrist handelt es sich um eine Mindestkündigungsfrist und keine zwingende Vorgabe, die vom Auszubildenden nicht überschritten werden darf.

 

Normenkette

BBiG § 22 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 16.06.2016; Aktenzeichen 4 Ca 52/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.02.2018; Aktenzeichen 6 AZR 50/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichtes Lüneburg vom 16.06.2016 - 4 Ca 52/16 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Zeitpunkt der Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers.

Der am 00.00.1998 geborene Kläger trat am 01.08.2015 eine Ausbildung zum Elektroniker bei der Beklagten an. Grundlage des Ausbildungsverhältnisses bildete der Berufsausbildungsvertrag vom 19.01.2015. Darin ist in § 7 Ziffer 2. Nachstehendes vereinbart:

"Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

a) aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,

b) von dem/der Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen, wenn er/sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine Berufstätigkeit ausbilden lassen will."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufsausbildungsvertrages wird auf Blatt 2 der Akte verwiesen.

Mit der Beklagten am 05.01.2016 zugegangenem Schreiben vom 04.01.2016 kündigte der Kläger den Ausbildungsvertrag zum 29.02.2016 mit der Begründung, dass er sich für einen anderen Berufsweg entschieden habe und seine neue Berufsausbildung am 01.03.2016 beginne. Mit Schreiben vom 13.01.2016 bestätigte die Beklagte dem Kläger den Eingang seines Kündigungsschreibens unter Hinweis darauf, dass das Ausbildungsverhältnis ausschließlich mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden könne und deshalb der letzte Tag des Ausbildungsverhältnisses der 02.02.2016 sei.

Mit der am 09.02.2016 beim Arbeitsgericht Lüneburg eingegangenen Klage macht der Kläger - soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Bedeutung - die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 29.02.2016 geltend. Er hat die Auffassung vertreten, dass er entsprechend seines Kündigungsschreibens vom 04.01.2016 unter Einhaltung der vereinbarten Frist von vier Wochen eine Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 29.02.2016 und nicht früher herbeigeführt habe. Bei der von den Parteien vereinbarten vierwöchigen Kündigungsfrist handele es sich um eine Mindestkündigungsfrist.

Soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Bedeutung, hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung des Klägers vom 04.01.2016 am 29.02.2016 geendet hat und nicht wie in den Schreiben der Beklagten vom 13.01.2016 und 25.01.2016 mit Wirkung des 02.02.2016 endet, sondern bis zum 29.02.2016 fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Ausbildungsverhältnis habe aufgrund der Kündigung des Klägers vom 04.01.2016 bereits am 02.02.2016 sein Ende gefunden. Das Ausbildungsverhältnis habe nach der vertraglichen Regelung nur und ausschließlich unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden können.

Mit Teilurteil vom 16.06.2016 hat das Arbeitsgericht Lüneburg festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung des Klägers vom 04.01.2016 nicht vor Ablauf des 29.02.2016 sein Ende gefunden hat. Wegen der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Teilurteils (Seiten 3 bis 6 desselben, Bl. 47 bis 50 d. A.) verwiesen.

Das Teilurteil ist der Beklagten am 15.07.2016 zugestellt worden. Mit am 25.07.2016 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte hiergegen Berufung eingelegt und diese, nachdem ihr zuvor Fristverlängerung gewährt worden war, unter dem 17.10.2016 begründet.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger das Ausbildungsverhältnis mit seiner Kündigung vom 04.01.2016 bereits zum 02.02.2016 beendet habe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei die im Ausbildungsvertrag entsprechend § 22 Abs. 2 BBiG geregelte vierwöchige Frist zwingend. Anders als im Rahmen des § 622 BGB stehe es dem Kündigenden im Ausbildungsverhältnis nicht frei, freiwillig eine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Das Wort "nur" in der gesetzlichen und vertraglichen Regelung beziehe sich nicht nur auf den für die Kündigung nach Ablauf der Probezeit erforderlichen Grund, sondern erfasse auch die mitgeregelten Kündigungsfristen. Anders als im Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitgeber aus der Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aus der Arbeitsleistung Wert schöpfen könne und mit steigender Beschäftigungsdauer das Bedürfnis an Übergabearbeiten u...

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