Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizeitausgleich. Betriebsratstätigkeit. Teilzeitbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Einen Anspruch auf Freizeitausgleich eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds wegen der Teilnahme an einem Seminar nach § 37 VI BetrVG außerhalb der Arbeitszeit steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber in weit überwiegendem Maß nur Teilzeitarbeitnehmer beschäftigt. Der Anspruch auf Freizeitausgleich ist nach § 37 VI S. 2 BetrVG begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Dabei ist es nicht erforderlich, dass in der Abteilung des Betriebsratsmitglieds Vollzeitarbeitnehmer tätig sind.

 

Normenkette

BetrVG § 37 VI

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Urteil vom 14.05.2008; Aktenzeichen 2 Ca 661/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14.05.2008 – 2 Ca 661/07 – abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Freizeitausgleich in Höhe von 58,5 Stunden zu gewähren.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Freizeitausgleich wegen der Teilnahme der Klägerin an mehreren Betriebsratsschulungen.

Die Klägerin ist Mitglied des bei der Beklagten bestehenden 15 köpfigen Betriebsrates. Die Beklagte vertreibt Presseerzeugnisse, im Wesentlichen Produkte der N.-Zeitung. Sie beschäftigt 1.418 Mitarbeiter, davon 15 in Vollzeit. 12 Vollzeitkräfte sind als Gebietsbeauftragte tätig, die einstellungs- und entlassungsbefugt gegenüber Arbeitnehmern in ihrem Zustellbezirk sind und an der Wahl des Betriebsrats nicht teilgenommen haben. Die Beklagte beschäftigt weitere 2 Vollzeitkräfte im Sekretariat mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 35 Stunden sowie dort weitere Teilzeitkräfte.

Die Klägerin ist teilzeitbeschäftigt mit einer Arbeitszeit von ca. 2,5 Stunden täglich. Sie bearbeitet frühmorgens im Büro die Reklamationen aus dem Zustellbetrieb. In diesem Bereich sind keine Vollzeitkräfte tätig.

Die Klägerin nahm im September 2006, November 2006 sowie im Juni 2007 an einwöchigen Betriebsratsschulungen zur Einführung in die Arbeit des Betriebsrates teil. Es fielen jeweils 40 Seminarstunden an. Die Erforderlichkeit der Seminare für die Tätigkeit der Klägerin als Betriebsratsmitglied ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte vergütete die ausgefallene Arbeitszeit der Klägerin gemäß Lohnausfallprinzip und rechnete für September 2006 10,25 Stunden, für November 2006 13,75 Stunden und für Juni 2007 12,5 Stunden ab.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Freizeitausgleich für die Teilnahme an den Schulungen in Höhe der von ihr errechneten Differenz zwischen den vergüteten Stunden und einer wöchentlichen Stundenzahl von 35. Sie hat behauptet, der Betriebsrat habe jeweils einen ordnungsgemäßen Entsendebeschluss gefasst. Unerheblich sei, dass die Beklagte ganz überwiegend nur Teilzeitkräfte beschäftige. Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder müssten sonst mehr Freizeit für die Schulungen zur Verfügung stellen als Vollzeitbetriebsräte. Dies liege ein Verstoß gegen § 4 TzBfG.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Freizeitausgleich in Höhe von 58,5 Stunden zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und die Auffassung vertreten, bei einem Betrieb mit nur unerheblich wenigen Vollzeitkräften könne ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied nur in dem Umfang Freizeitausgleich beanspruchen, wie in seinem Arbeitsbereich – vorliegend im Bereich des Zustellgewerbes – üblich gearbeitet werde. Anderenfalls liege eine Besserstellung teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder vor. Die Beklagte hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates bestritten.

Mit Urteil vom 14.05.2008 hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage abgewiesen unter Hinweis darauf, ein ordnungsgemäßer Entsendebeschluss des Betriebsrates sei nicht dargelegt worden. Zudem sei § 37 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG nicht auf Betriebe anzuwenden, die überhaupt keine bzw. eine nahezu zu vernachlässigende Anzahl von Vollzeitmitarbeitern beschäftigten. Die Begrenzung des Freizeitausgleichanspruches des teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers komme dann zum Tragen, wenn die Arbeitszeit des teilzeitbeschäftigten Betriesratsmitglieds von der üblichen Arbeitszeit abweiche. Dabei sei der betriebsübliche Umfang der Arbeitszeit derjenige eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Im Normalfall gebe es einen Mix zwischen Vollzeitmitarbeitern und Teilzeitkräften. Bei einem wie vorliegend gegebenen Verhältnis von 1.418 Mitarbeitern insgesamt und lediglich 15 Vollzeitmitarbeitern außerhalb des Tätigkeitsbereiches der Klägerin könne das teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglied nicht die Gleichstellung mit einer Vollzeitkraft beanspruchen. Dies führe zu einer unzulässigen Bevorzugung.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 10.06.2008 zugestellte Urteil am 24.06.2008 Berufung eingelegt und diese am 3...

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