Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung. Insolvenzverwalter. Abfindung. Masseunzulänglichkeit. persönliche Haftung des Insolvenzverwalters für Abfindungsvergleich und späterer Anzeige der Masseunzulänglichkei

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Haftung des Insovenzverwalters nach § 61 InsO entfällt, wenn der Insolvenzverwalter sowohl bei Abschluss des Vergleichs als auch bei Ablauf der Widerrufsfrist im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen durfte, dass die Erfüllbarkeit der eingegangenen Forderung nicht weniger wahrscheinlich war als der Eintritt der Masseunzulänglichkeit, und wenn er bereits bei Abschluss des Vergleichs darauf hingewiesen hat, dass die Abfindung nur bei erfolgreichen Verkaufsverhandlungen ausgezahlt werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 256; InsO §§ 61, 60

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 26.11.2008; Aktenzeichen 8 Ca 55/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.10.2011; Aktenzeichen 6 AZR 172/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.11.2008, 8 Ca 55/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte persönlich für eine Verbindlichkeit aus einem Abfindungsvergleich haftet, den er als Insolvenzverwalter mit dem Kläger abgeschlossen hat.

Der am 0.0.1942 geborene Kläger war seit dem 01.10.1989 bei der Firma G. AG als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 02.10.1990 (Bl. 11 bis 13 d.A.) zu Grunde. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen am 26.05.2004 zum 31.03.2005.

Der Beklagten erstattete am 28.05.2004 ein Gutachten an das Insolvenzgericht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2007).

Durch Beschluss vom 01.06.2004 (Bl. 22, 23 d.A.) wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte sodann als Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 15.06.2004 zum 30.09.2004 (Bl. 24 d.A.).

Der Kläger schloss mit dem Beklagten als Insolvenzverwalter am 01.07.2004 folgenden Prozessvergleich:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 15.06.2004 zum Ablauf des 30.09.2004 aus betriebsbedingten Gründen enden wird.
  2. Der Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziff. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 9.000,00 EUR zu zahlen.
  3. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
  4. Beide Parteien behalten sich den Widerruf dieses Vergleiches vor durch einfache schriftliche Anzeige, eingehend bei Gericht bis spätestens Freitag, 13.08.2004.

Der abgeschlossene Vergleich wurde von keiner Partei widerrufen.

Der Beklagte hatte in der Güteverhandlung durch seinen Prozessbevollmächtigten erklärt, dass im Insolvenzverfahren alles davon abhinge, ob es ihm gelingen würde, ein share- oder asset-deal zu erreichen. In diesem Falle könnten ohne Weiteres Abfindungen an die ausscheidenden Mitarbeiter gezahlt werden. Anderenfalls bliebe nur die Abwicklung des Unternehmens. Für den Vergleich wurde eine lange Widerrufsfrist vereinbart, um die Frage des Gelingens eines share- oder asset-deals abwarten zu können.

Nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens wurde ab 08.04.2004 eine tägliche Liquiditätsplanung für die nächsten Monate erstellt. Es waren Geldeingänge in Höhe von ca. 500.000,00 EUR täglich mit 300 bis 400 Buchungsvorgängen zu verzeichnen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 14.12.2005 zu den Gerichtsakten gereichten Anlagen (Bl. 63 bis 79 d.A.).

In einem Bericht vom 14.09.2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2007), führte der Beklagte u. a. folgendes aus:

S. 22:

Die Vertriebstätigkeit wird ab dem 01.07.2004 von der Firma G. Vertriebs-GmbH wahrgenommen, es handelt sich um eine umfirmierte Tochtergesellschaft der Schuldnerin.

S. 23:

Bereits im Insolvenzantragsverfahren ist auf Hinweis verschiedener Beteiligter die U. GmbH, A-Stadt, mit der Erstellung einer Unternehmenspräsentation und mit der Kontaktaufnahme zu potentiellen in- und ausländischen Erwerbsinteressenten beauftragt worden. Sie hat nachfolgend sowohl strategische als auch Finanzinvestoren identifiziert und angesprochen. …

S. 24:

Die von der a. GmbH hergestellten Kontakte führten schließlich zur Aufnahme von Verhandlungen mit drei Interessenten; …

Ein schließlich für Ende August 2004 vorbereiteter Vertragsabschluss gelang nicht, weil aus Sicht des Erwerbsinteressenten die für eine Fortentwicklung der Geschäftstätigkeit notwendigen leitenden Mitarbeiter nicht umfänglich zur Verfügung standen. …

Anfang September 2004 mussten die Verhandlungen mit den genannten Interessenten zum Teil erneut initiiert und...

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