Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Entstehen einer betrieblichen Übung ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber die Leistung, auf die sich die Übung bezieht, bei einzelnen Arbeitnehmern vertraglich „absichert”.

2. Besteht eine betriebliche Übung dahin, dass der Arbeitgeber an ausscheidende Arbeitnehmer eine Ausgleichszahlung als Kompensation für eine nicht vorhandene betriebliche Altersversorgung zahlt, müssen Einschränkungen bzw. „negative Tatbestandsvoraussetzungen” in Bezug auf diese Übung, die für die Arbeitnehmer nicht erkennbar sind, vom Arbeitgeber in derselben Weise, wie dies für das Entstehen einer betrieblichen Übung erforderlich ist, der Belegschaft bekanntgegeben worden sein. Dies gilt z. B. in Bezug auf die Anrechnung tarifvertraglicher Abfindungen, die bei Ausscheiden aufgrund von Altersteilzeitvereinbarungen zum Ausgleich für Rentennachteile gewährt werden.

3. Schafft der Arbeitgeber eine betriebliche Regelung betreffend eine zusätzliche Arbeitgeberleistung in Textform und gibt er diese Regelung auf Betriebsversammlungen bekannt, spricht dies für den Willen, diese Leistung nach den selbstgesetzten Regeln in Zukunft zu gewähren. Die Arbeitnehmer können deshalb in einem solchen Fall von einem Rechtsbindungswillen des Arbeitgebers ausgehen.

4. Eine umfassende Abgeltungsklausel, die angesichts der äußeren Vertragsgestaltung leicht überlesen werden kann, ist nach § 305 c Abs.1 BGB unwirksam.

 

Normenkette

BGB §§ 305, 305c, 307; Tarifvertrag übrt Altersteilzeit vom 22. September 2000 für die Arbeitnehmer der L. GmbH

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 08.11.2007; Aktenzeichen 3 Ca 209/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.11.2009; Aktenzeichen 9 AZR 765/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom08.11.2007 – 3 Ca 209/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf eine sogenannte Ausgleichszahlung wegen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund einer betrieblichen Übung.

Der am 18.08.1943 geborene Kläger war vom 28.09.1972 bis 31.08.2006 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 25.01.2003 vereinbarten die Parteien einen Altersteilzeitvertrag nach dem Blockmodell, demzufolge die Arbeitsphase vom 01.03.2003 bis zum 30.11.2004 und die Freistellungsphase vom 01.12.2004 bis zum 31.08.2006 dauern sollte. In § 3, 3. Absatz des genannten Altersteilzeitvertrages ist – ohne drucktechnische Hervorhebung – unter der fettgedruckten Überschrift „Abfindung” ausgeführt, dass mit dem Abschluss dieser Vereinbarung und der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses alle gegenseitigen Ansprüche aus dem bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnis abgegolten sind.

Am 14.01.2003/25.01.2003 schlossen die Parteien eine „Ergänzende Vereinbarung zum Altersteilzeitvertrag vom 10.12.2002”, in deren Ziffer 2 geregelt ist, dass der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes gemäß §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9 EStG und auf der Grundlage des § 10 des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 22.09.2000 (im Folgenden: TV ATZ) eine Abfindung in Höhe von Euro 9.288,00 brutto zum Austrittstermin abgerechnet erhält. In Ziffer 3 der Ergänzenden Vereinbarung ist – wiederum ohne drucktechnische Hervorhebung – geregelt, dass mit dem Abschluss dieser Vereinbarung und der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses alle gegenseitigen Ansprüche aus dem bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnis abgegolten sind.

Die Beklagte schuf unter dem 25.07.1990 eine „Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 63. Lebensjahr” sowie unter dem 02.04.1992 eine „Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 63. Lebensjahres” mit folgenden Inhalten:

  1. Regelung vom 25. Juli 1990

    Ausgleichsregelung

    wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 63. Lebensjahr

    1. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 60. und 63. Lebensjahr wegen Bezug einer Rente (Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit bzw. vorgezogenes Altersruhegeld Schwerbehinderter) wird für jeden Differenzmonat zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Vollendung des 63. Lebensjahres eine Ausgleichszahlung in Höhe von DM 500 / Monat gezahlt.
    2. Der Höchstbetrag für die Ausgleichzahlung beträgt DM 18.000.
    3. Der Ausgleichbetrag wird unabhängig von einer eventuellen Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes gezahlt.
    4. Falls steuerrechtlich die Möglichkeit besteht, im Rahmen von Personalanpassungsmaßnahmen den Ausgleichsbetrag steuerfrei zu gewähren, erfolgt steuerfreie Auszahlung gemäß § 3, Abs. 9 EStG.
    5. Eine Arbeitslosenmeldung im Zusammenhang mit dieser Ausgleichszahlung darf nicht erfolgen (Regresswirkung § 128 AFG).
    6. Die Ausgleichszahlung erfolgt nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge unbefristeten Rentenbezugs.
    7. Bei Renteneintritt zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr er...

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