Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifzuständigkeit der Gewerkschaften und des Arbeitgeber. Tarifzuständigkeit. Satzungsautonomie. Industrieverbandsprinzip. DGB-Schiedsspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die IG Metall ist gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 und § 3 Nr. 1 ihrer Satzung nach dem betriebsbezogenen Industrieverbandsprinzip organisiert und demgemäß auch für Metallbetriebe in branchenfremden Unternehmen tarifzuständig.

2. Für das betriebsbezogene Industrieverbandsprinzip der IG Metall gilt nicht der betriebsverfassungsrechtliche bzw. kündigungsschutzrechtliche, sondern ein eigenständiger satzungsrechtlicher Betriebsbegriff.

3. Die satzungsgemäße Tarifzuständigkeit der IG Metall für Metallbetriebe in branchenfremden Unternehmen erstreckt sich auf Verbands- und Firmentarifverträge.

4. Die Tariffähigkeit bzw. Tarifzuständigkeit der Arbeitgeber besteht gemäß § 2 Abs. 1 TVG ohne Einschränkung und erstreckt sich daher nicht nur auf Unternehmens-, sondern auch auf betriebsbezogene Firmentarifverträge.

5. Die IG Chemie ist gemäß § 1 Abs. 2 ihrer Satzung auch nach dem unternehmensbezogenen Industrieverbandsprinzip organisiert und demgemäß auch für branchenfremde Betriebe wie Metallbetriebe innerhalb von Unternehmen der chemischen Industrie tarifzuständig.

6. Diese Tarifzuständigkeit besteht mit Rücksicht auf die Satzungsautonomie der IG Chemie auch für diejenigen Metallbetriebe, für die nach dem Schiedsspruch des DGB vom 2.7.1990 ausschließlich die IG Metall tarifzuständig sein soll.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 30.09.1992; Aktenzeichen 31 b BV 2/91 W)

ArbG München (Entscheidung vom 27.02.1992; Aktenzeichen 12 BV 242/91)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerden der IG Metall wird unter Abänderung der Beschlüsse des Arbeitsgerichts München vom 27.2.1992 – 12 BV 242/91 – und vom 30.9.1992 – 31 b BV 2/91 W – festgestellt, daß die IG Metall für die Betriebsstätten des Arbeitgebers in München, Peißenberg und Peiting tarifzuständig ist.

2. Im übrigen werden die Beschwerden der IG Metall zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Industriegewerkschaft (IG) Metall oder die IG Chemie-Papier-Keramik (Chemie) für bestimmte Betriebsstätten eines Unternehmens tarifzuständig ist.

§ 2 Abs. 3 der Satzung der IG Metall enthält folgende Regelung:

„Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere:

1. Zusammenschluß aller in der Metallindustrie, im Metallhandwerk und in sonstigen Metallbetrieben Beschäftigten zum gemeinsamen Handeln;”

§ 3 Nr. 1 der Satzung der IG Metall enthält folgende Regelung:

Mitglied der IG Metall können die in den Wirtschaftszweigen der Metallindustrie, der Metallgewinnung, der eisen- und stahlerzeugenden Industrie, dem Metallhandwerk und sonstigen Metallbetrieben Beschäftigten werden.

Zu diesen Wirtschaftszweigen gehören im wesentlichen:

Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau;

Eisen-, Blech- und Metallwaren …

und die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe sowie anverwandte Handwerks- und Industriezweige einschließlich der dem Geschäftszweck des Hauptunternehmens dienenden Hilfs- und Nebenbetriebe und Zweigniederlassungen, auch soweit Teile der ursprünglich verarbeiteten Materialien durch Nicht-Metalle ersetzt werden.

Die IG-Chemie hat auf ihrem 13. Ordentlichen Gewerkschaftstag im Jahre 1988 § 1 ihrer Satzung dahin geändert, daß sie nicht mehr nur für die Beschäftigten in Betrieben, sondern für „die Beschäftigten … in Betrieben, Unternehmen und Konzernen” der chemischen Industrie zuständig ist, ohne die gemäß § 15 Nr. 2 der Satzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vorgeschriebene Zustimmung der betroffenen Gewerkschaften und des Bundesausschusses einzuholen. Seitdem enthält § 1 Abs. 2 der Satzung der IG Chemie folgende Regelung:

„Sie erfaßt die Beschäftigten … in Betrieben, Unternehmen und Konzernen folgender Industriebereiche einschließlich ihrer Verwaltungen, Nebenbetriebe, Außenstellen und … I. Chemische Industrie

…”

Das Unternehmen des in dem vorliegenden Rechtsstreit beteiligten Arbeitgebers hat nach dem Handelsregistereintrag vom 19.7.1982 die Erzeugung und den Vertrieb von Produkten sowie die Leistung von Diensten auf dem Gebiet der Aufzeichnung, Speicherung, Auswertung und Wiedergabe bzw. Vervielfältigung von optischen, akustischen und elektronischen Informationen zum Gegenstand. Tatsächlich handelt es sich im Hinblick auf die arbeitstechnischen Zwecke, die Tätigkeiten der Arbeitnehmer, Umsatzerlöse, Investitionen und Forschungskosten seinem überwiegenden Gegenstand nach um ein Unternehmen der chemischen Industrie, das seine chemischen und sonstigen Produkte einschließlich verschiedener Maschinen als Teile von Systemen konzipiert, aber auch einzeln anbietet.

Organisatorisch ist das Unternehmen dementsprechend in Geschäftsfelder gegliedert, die die Herstellung chemischer und sonstiger Produkte einschließlich verschiedener Maschinen umfassen, mit denen die chemische...

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