Entscheidungsstichwort (Thema)

Reisezeit und Arbeitszeit. Arbeitszeit. Reisezeit. Mitbestimmung des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Reisezeiten, die der Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit im Zustand der Entspannung verbringen kann, zählen nicht zur Arbeitszeit. Für solche Zeiten steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 24.03.1994; Aktenzeichen 14 BV 389/92)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 24.03.1994 – Az.: 14 BV 389/92 – wird aufgehoben.

2. Die Anträge werden abgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Reisezeiten für Dienstreisen, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegen, in denen der Arbeitnehmer jedoch selbst nicht aktiv tätig ist, ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Der Arbeitgeber, einer der weltweit größten Lampenhersteller, der Sitz und Hauptverwaltung in … hat, betreibt unter anderem auch eine Fabrik in Treviso in Oberitalien. Er ordnete an, daß neben Teilnehmern aus ganz Europa auch die außertariflichen, nicht leitenden Angestellten … und … aus dem Bereich … an einer firmeninternen Tagung samt Erfahrungsaustausch über elektronische Vorschaltgeräte von Montag, den 26.10.1992, 9:00 Uhr bis Dienstag, den 27.10.1992 gegen 17.00 Uhr teilzunehmen haben. Am Sonntag, den 25.10.1992 um 15.30 war eine Stadtführung in Venedig durch einen der Mitarbeiter aus Italien vorgesehen.

Es bedurfte der Genehmigung der Geschäftsleitung, diese Tagung statt in München in Treviso stattfinden zu lassen. In seinem Antrag vom 23.7.1992 rührte der zuständige Fachvorgesetzte hierzu aus, daß sich zwar die Mehrkosten einer Tagung in Italien gegenüber einer Tagung in München auf DM 12.000,– beliefen, dem aber Einsparmöglichkeiten durch die Anreise bereits am Sonntag und durch eine gemeinsame Busreise für die Teilnehmer aus dem Bereich München statt des im übrigen vorgesehenen Fluges ergeben würden (Bl. 88 d.A.). Die Reise ist wie beantragt genehmigt worden.

Unter dem 19.10.1992 haben die Münchner Teilnehmer folgendes Schreiben erhalten (Bl. 5 d.A.):

Die Anreise zur Tagung am Sonntag 25. Oktober erfolgt für die oben genannten Teilnehmer und Referenten per Bus.

Treffpunkt …. so rechtzeitig, daß der Bus um 7.30 Uhr abfahren kann.

(Fahrtzeit nach Venedig: 7,5 Stunden inkl. Pausen. 15.30 Treffen in Venedig mit Herrn …, O-TV, für eine Venedigführung zusammen mit den übrigen Teilnehmern, die per Flug anreisen. Weiteres: Siehe Tagungsprogramm).

Kollegen, die noch Material (Demogeräte, etc) im Bus tranportieren möchten: Der Bus steht ab 7.00 Uhr zum beladen bereit.

Die Rückreise nach München … erfolgt am Dienstag 27. Oktober abends, unmittelbar nach dem Ende der Tagung. Bei Abreise in Treviso um ca. 17.00 Uhr ist mit dem Eintreffen in München gegen 1:00 Uhr zu rechnen.

….

Der Betriebsrat nimmt ein Mitbestimmungsrecht für die Reisezeiten in Anspruch, welches der Arbeitgeber als nicht gegeben ansieht. Während weiterhin dienstliche Tagungen mit Anreise am Sonntag und Heimreise nach dem Ende der regulären Arbeitszeit stattfinden, hat der Arbeitgeber von gemeinsamen Busreisen zu derartigen Tagungen seither abgesehen.

Der Betriebsrat hat, soweit es für die Beschwerde noch interessiert, in erster Instanz zuletzt beantragt:

Es wird festgestellt, daß es sich bei der angeordneten Dienstzeit für die Herren … und … am Sonntag, dem 25.10.1992 zur Fahrt nach Treviso bzw. Venedig um mitbestimmungspflichtige Mehrarbeit nach § 87 Abs. I Zif. 3 BetrVG handelt.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er ist der Meinung, Reisezeiten seien keine Arbeitszeit und schon deshalb fehle es am Mitbestimmungsrecht. Außerdem behauptet er, er habe die Anreise am 25.10.1992 mit dem Bus nicht angeordnet, die Teilnehmer hätten vielmehr auch am Montag, den 26.10.1992 nach Venedig bzw. Treviso fliegen können und bezieht sich hierzu auf die Genehmigung der Veranstaltung durch die Geschäftsleitung und sein Schreiben an die Münchner Teilnehmer vom 19.10.1990.

Das Arbeitsgericht hat nach Auslegung des Antrags mit Beschluß vom 24.3.1994 unter Abweisung der Anträge im übrigen wie folgt entschieden:

Es wird festgestellt, daß es sich bei der angeordneten Dienstreise für die Herren … und … am Sonntag, den 25.10.1992 zur Fahrt nach Treviso bzw. Venedig um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme handelte.

Der Arbeitgeber hat gegen den ihm am 14.12.1994 zugestellten Beschluß am 12.1.1995 Beschwerde einlegen und die Beschwerde nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 13.3.1995 am 9.3.1995 begründen lassen.

Beide Seiten wiederholen ihre Sachdarstellung und Rechtsauffassung, bezüglich derer auf die Beschwerdebegründung (Bl. 64/68 d.A.), die Beschwerdeerwiderung (Bl. 71/73 d.A.) sowie den gesamten übrigen Akteninhalt Bezug genommen wird.

Der Arbeitgeber und Beschwerdeführer beantragt:

  1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 24.3.1994 wird...

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