Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines Aufhebungsvertrags. Widerrechtliche Drohung. Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung. Verbraucher

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitnehmer hat auch bei einem an seinem Arbeitsplatz unterzeichneten Aufhebungsvertrag kein Widerrufsrecht nach § 312 BGB.

2. Der vom Arbeitgeber vorformulierte Klageverzicht ist keine nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksame Bestimmung, wenn sich der Klageverzicht auf eine ordentliche Kündigung bezieht, zuvor aber die konkrete Gefahr einer außerordentlichen Kündigung bestand.

3. Die Drohung mit einer fristlosen Kündigung ist nur widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, ohne dass es hierbei darauf ankäme, dass sich die in Aussicht gestellte Kündigung in einem möglichen Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erweisen würde.

 

Normenkette

BGB §§ 13-14, 123 Abs. 1, § 307 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 310 Abs. 3, § 312 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Aktenzeichen 3 Ca 237/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.11.2003; Aktenzeichen 2 AZR 135/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und einer anschließend von der Klägerin unterzeichneten „Kündigungsschutzklageverzichtserklärung”. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 14.4.1995 als Reinigungskraft zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 1.073,71 Euro beschäftigt. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt.

Am 3.4.2002 fand zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten im Beisein des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein Gespräch statt, in dem der Geschäftsführer der Kägerin vorhielt, sie habe in einem Pflegeheim, in dem sie für die Beklagte Reinigungsarbeiten durchführte, einen versuchten Diebstahl begangen. In dem Vorgespräch ist der Klägerin erklärt worden, dass beabsichtigt sei, dass Arbeitsverhältnis fristgemäß zu kündigen, wenn sie erkläre, dass sie mit der Kündigung einverstanden sei. Dem hat die Klägerin zugestimmt. Anschließend erhielt die Klägerin von der Beklagten eine schriftliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.5.2002 und unterzeichnete daraufhin eine Erklärung, in der sie erklärte, dass sie gegen diese Kündigung keine Einwendungen erheben werde (Blatt 6, 7 d.A.).

Am 24.4.2002 ging beim Arbeitsgericht Stralsund eine Klage der Klägerin mit dem Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 3.4.2002 nicht aufgelöst worden ist, ein. Ferner beantragte die Klägerin, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aber 5.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, aufzulösen.

Diese Klage hat das Arbeitsgericht Stralsund durch Urteil vom 28.8.2002 – 3 Ca 237/02 – abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Klägerin habe durch den Klageverzicht vom 3.4.2002 sich ihrer materiellen Rechte durch die Kündigung. Dieser Klageverzicht sei auch wirksam, soweit die Klägerin vorgetragen habe, dass sie nicht gewusst habe, was sie unterzeichnet, könne sie sich nicht in einem Erklärungsirrtum befunden haben. Sie sei auch nicht durch widerrechtliche Drohung zu der Willenserklärung bestimmt worden. Auch auf ein Widerrufsrecht gemäß § 312 BGB könne sich die Klägerin nicht berufen. Ein Arbeitnehmer sei nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen. Gemeint sei der Verbraucher als Konsument der unternehmerischen Tätigkeit am Markt. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 28.10.2002 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 29.10.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 19.11.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung ihren Vortrag, dass ihr bei der Unterzeichnung der Erklärung das Erklärungsbewusstsein gefehlt habe, aufrechterhalten. Darüber hinaus verstoße die Erklärung gegen Treu und Glauben.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Stralsund sei der Arbeitnehmer auch als Verbraucher zu qualifizieren. Deshalb stünde der Klägerin das Widerrufsrecht gem. § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Seite. Es liege die typische Situation eines Haustürgeschäftes vor. Über die Rechtsfolgen einer Verzichtserklärung sei die Klägerin nicht belehrt worden.

Auch sei eine Belehrung über das Bestehen eines Widerrufsrechts nicht erfolgt. Deshalb habe die Klägerin ihre Erklärung noch wirksam mit Schriftsatz vom 30.7.2002 widerrufen können. Die Erklärung sei auch gem. § 307 Abs. 1 in Verbindung mit § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nichtig. Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen finde gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann Anwendung, wenn das Formular nur einmalig verwendet wird und der Verbraucher auf die Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte.

So verhiel...

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