Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Annahmeverzug des Arbeitgebers bei rechtswirksam angeordneter Kurzarbeit. Erforderlichkeit des Angebots der Arbeitsleistung bei unwirksamer Kurzarbeit. Keine Anwendung des § 296 BGB im ungekündigten Arbeitsverhältnis. Entbehrlichkeit des Angebots der Arbeitsleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei gegenüber dem Arbeitnehmer rechtswirksam angeordneter Kurzarbeit scheiden Ansprüche aus Annahmeverzug aus. Es besteht ein Lohnanspruch in Höhe des Kurzarbeitergeldes.

2. Ist die Anordnung der Kurzarbeit unwirksam erfolgt, bedarf es zur Begründung von Annahmeverzug zumindest des Protestes des Arbeitnehmers gegen die Anordnung der Kurzarbeit. Ansonsten wird für den Arbeitgeber nicht deutlich, dass kein Einverständnis mit der Anordnung der Kurzarbeit besteht, sondern der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft darüberhinaus anbietet.

3. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis kommt § 296 BGB regelmäßig nicht zur Anwendung (BAG, Urteil vom 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 37, juris).

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Arbeitgeber auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt; insbesondere wenn er durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat. Die Anordnung von Kurzarbeit ist indessen ein "aliud" gegenüber einer Freistellung von der Arbeit.

 

Normenkette

BGB § 615 S. 1, § 611a Abs. 2, §§ 293-296

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 14.04.2021; Aktenzeichen 11 Ca 431/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund -Kammern Neubrandenburg - vom 14.04.2021 zum Aktenzeichen 11 Ca 431/20 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen.

Der Kläger war seit August 2019 gemäß schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 11 ff d. A.) bei der Beklagten, welche Leihpersonal stellt, als Leiharbeitnehmer mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 35 und einer Bruttovergütung von 10,20 EUR pro Stunde beschäftigt. Der Kläger war seit dem 5.08.2019 bei der Firma E. T. GmbH und Co. KG eingesetzt. Diese hat wegen der Corona-Krise Kurzarbeit eingeführt und sämtliche Leiharbeitnehmer abgemeldet. Unter dem 18.03.2020 hat die Beklagte mit dem Betriebsrat der m. E. GmbH eine Betriebsvereinbarung (Anlage B1, Bl. 45 d. A.) zur Kurzarbeit während des Zeitraumes vom 23.03.2020 bis zum 30.06.2020 für ihren Betrieb geschlossen und den Kurzarbeitszeitraum mit Betriebsvereinbarung vom 01.07.2020 (Anlage B2, Bl. 46 d. A.) bis zum 31.10.2020 verlängert. Die m. B.-V. GmbH ist hundertprozentige Gesellschafterin der Beklagten.

Die für Personalangelegenheiten zuständige Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Y. V., hat den Kläger über die Einführung der Kurzarbeit informiert sowie darüber, dass der Abbau des Arbeitszeitkontos bzw. die Inanspruchnahme von Urlaubsansprüchen erforderlich seien. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger für den Zeitraum 5.06. - 10.06.2020 Gewährung von Freizeitausgleich und für die Zeit vom 21.07. - 7.08.2020 die Erteilung von Erholungsurlaub (Anlage B4, Bl. 48 d. A.) beantragt. Beides ist dem Kläger bewilligt worden.

Unter dem 29.04.2020 hat der Kläger der Beklagten per Email unter dem Betreff "Gewerbeanmeldung im Nebengewerbe" mitgeteilt:

"Dies geschieht nur im Nebengewerbe und ich stehe jederzeit für meine Haupttätigkeit bei Ihnen zur Verfügung".

Mit der der Beklagten am 18.11.2020 zugestellten Klage hat der Kläger für die Monate Juni und Juli 2020 Zahlung von Differenzvergütung in Höhe von insgesamt 982,43 Euro brutto verlangt, mit der Begründung, die Zahlung von Kurzarbeitergeld während dieser Monate sei zu Unrecht erfolgt, weil die Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit unwirksam sei. Weil weder eine tarifliche noch eine arbeitsvertragliche Regelung zur Einführung von Kurzarbeit vorliege, sei die Beklagte nicht berechtigt, Kurzarbeit durchzuführen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die mit dem Betriebsrat der m. B.-V. GmbH abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen seien unwirksam, weil sie nicht durch einen zuständigen Betriebsrat vereinbart seien. Es sei allein der Betriebsrat der Firma m. E. GmbH, es handele sich dabei nicht um einen Konzernbetriebsrat. Weder die Bildung eines Gesamtbetriebsrates noch die Bildung eines Konzernbetriebsrates seien erfolgt. Zudem beschränke sich die Aufgabenwahrnehmung eines Konzernbetriebsrates auf konzernweite Belange. Er sei nicht Ersatzbetriebsrat in betriebsratslosen Betrieben des Konzerns.

Die Beklagte schulde für Juni und Juli 2020 die volle Vergütung, nicht nur Kurzarbeitergeld, aufgrund Annahmeverzuges. Eines tatsächlichen Angebots habe es dazu nicht bedurft, denn es sei Sache der Beklagten, ihn an einen anderen Betrieb zu vermitteln. Zudem habe die Beklagte mit der Anordnung von Kurzarbeit zu verstehen gegeben, dass sie auf s...

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