Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsmitglied. wichtiger Grund. Ausschluß. Störung des Betriebsratsfriedens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Betriebsmitglied steht hinsichtlich der Beurteilung des wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung im Grundsatz jedem anderen Arbeitnehmer gleich. Die Eigenschaft als Amtsträger im Sinne des § 15 KSchG darf weder zu seinen Gunsten noch zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden.

2. Die fortgesetzte Störung des Betriebsfriedens, bei der auch das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebsratsmitglieder untereinander verletzt wird, kann einen wichtigen Grund darstellen.

 

Normenkette

BetrVG § 103; BGB § 626; KSchG § 15 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 11.03.1996; Aktenzeichen 1 Ca 84/95)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 14.03.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 1 Ca 84/95 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und daran anknüpfende Rechtsansprüche.

Der 49 Jahre alte Kläger war seit dem 01.09.1984 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Arbeitnehmer mit einer Vergütung von zuletzt 3.877,55 DM brutto tätig. Zuvor war er wiederholt als Werkstudent beschäftigt worden. Seit Mai 1990 gehörte der Kläger dem seinerzeit 23-köpfigen Betriebsrat an, der nach der Neuwahl im Mai 1994 nur noch 15 Mitglieder umfaßte, zu denen der Kläger ebenfalls zählte.

Unter dem 07.09.1994 (Kopie Bl. 59 d. A.) und unter dem 28.09.1994 (Kopie Bl. 61 d. A.) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger von ihr so bezeichnete Abmahnungen aus.

Mit Schreiben vom 06.01.1995 (Kopie Bl. 9 ff. d. A.) beantragte die Beklagte sodann die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Klägers. Am Schluß der ausführlichen Begründung heißt es:

„Die bewußt wahrheitswidrigen Behauptungen des Herrn M schaden nicht nur dem Vertrauensverhältnis zwischen der Belegschaft und den Führungskräften, sondern bringen die in hohem Grade positiv angelaufene „Fürstenberg-Aktion” in Misskredit, sie gefährden die schon sichtbar gewordenen Verbesserungsmöglichkeiten für den immer noch gefährdeten Standort O, schaden unserem Ansehen auch bei der hiesigen Bevölkerung und lassen in hohem Maße auf charakterliche Unzuverlässigkeit/ Bösartigkeit bei Herrn M schließen, so daß das Vertragsverhältnis zu ihm so schnell wie möglich beendet werden muß.”

Nach Zustimmung des Betriebsrats erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 09.01.1995 (Kopie Bl. 8 d. A.) die fristlose Kündigung „wegen der … fortgesetzten Störung des Betriebsfriedens”. Zur näheren Begründung wurde auf das Anhörungsschreiben an den Betriebsrat verwiesen.

Mit seiner am 27.01.1995 erhobenen Klage hat sich der Kläger vor allem gegen die nach seiner Ansicht rechtsunwirksame fristlose Kündigung gewandt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 09.01.1995, zugegangen am 10.01.1995, nicht beendet ist und ungekündigt fortbesteht;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn tatsächlich weiterzubeschäftigen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.408,15 DM brutto nebst 5 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
  4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm den entgangenen Lohn nebst 12,5 % Zinsen, soweit er über den Betrag von 50.408,15 DM brutto ab Rechtshängigkeit hinausgeht, zu zahlen;
  5. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wahrheitsgemäßes wohlwollendes Zeugnis zu erstellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, daß es keinen Beschluß des Betriebsrates gegeben habe, Mitarbeiter im Hinblick auf die sogenannte Fürstenberg-Befragung zum Projekt „Mehr Gesundheit am Arbeitsplatz” zu warnen. Vielmehr sei in einer Betriebsratssitzung am 18.10.1994 in Anwesenheit des Klägers klargestellt worden, daß das von einem Mitarbeiter kolportierte Gerücht über die Versetzung vorrangig solcher Arbeitnehmer, die sich bei der Befragung kritisch geäußerten hätten, keine Grundlage habe.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht die Klage durch Urteil vom 14.03.1996 abgewiesen. Wegen seiner Entscheidungsgründe und des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf Bl. 167 ff. d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 01.08.1996 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 07.08.1996 Berufung eingelegt, die am 05.09.1996 begründet worden ist. Er rügt, daß der Sachverhalt, den das Arbeitsgericht als wichtigen Grund gewürdigt habe, weder der Kündigungsgrund sei, den die Beklagte selbst angegeben habe, noch überhaupt vorliege. Die Mitglieder des Betriebsrats hätten bei ihrer Zeugenvernehmung übereinstimmend bekundet, daß es aufgrund der Äußerungen des Klägers zu keinen Unruhen im Betrieb gekommen sei. Wenn somit die Äußerungen des Klägers lediglich geeignet gewesen seien, den Betriebsfrieden zu stören, tatsächlich aber keine Störung eingetreten sei, dann liege der von der Beklagten herangezogenen Kündigungsgrund...

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