Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf einer Versorgungszusage. Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage. Folgen der Aufhebung des § 7 Abs. 1 Nr. 5 BetrAVG

 

Leitsatz (amtlich)

Seit der Streichung des früheren § 7 Abs. 1 Nr. 5 BetrAVG kann der Arbeitgeber nicht mehr – ohne einen außergerichtlichen Vergleich mit dem PSV und dem Betriebsrentner – die Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage widerrufen.

 

Normenkette

BetrAVG § 7 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 15.11.2001; Aktenzeichen 3 Ca 2901/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.06.2003; Aktenzeichen 3 AZR 396/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.11.2001 – 3 Ca 2901/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die betriebliche Invalidenrente des Klägers für die Jahre 2000 und 2001 den jeweiligen Steigerungen der gesetzlichen Erwerbsunfähigkeitsrente anzupassen.

Die Parteien streiten sowohl um die Auslegung der Versorgungsordnung (Nr. III. b: „Die Invalidenrente wird gewährt, wenn die Invaliden- oder Angestelltenversicherung eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit zahlt. Die Invalidenrente beträgt wiederum 50 % der Rente der Invaliden- und Angestelltenversicherung, vermindert um 1 % für jedes Jahr, das der Betriebsangehörige bei Eintritt in die Firma älter als 20 Jahre war; die Invalidenrente beträgt mindestens bei Erwerbsunfähigkeit 0,6 %, bei Berufsunfähigkeit 0,4 % des Bruttoeinkommens (höchstens der Beitragsbemessungsgrenze) des letzten Dienstjahres für jedes bei der Firma zurückgelegte Dienstjahr. Als Dienstjahre werden auch die Jahre vor Beginn der Rente bis zum Erreichen des 55. Lebensjahres mitgerechnet.”) nämlich darum, ob diese die Invalidenrente statisch auf das Jahr ihres Beginns festlegt oder dynamisch an die jeweiligen Entwicklungen der gesetzlichen Erwerbsunfähigkeitsrente bindet, als auch darum, ob die Beklagte aufgrund der in der Versorgungsordnung enthaltenen „Vorbehaltsklausel” (Nr. V. c: „Die Firma behält sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Betrachtung der Belange des Pensionsberechtigten nicht zugemutet werden kann.”) wegen einer von der Beklagten behaupteten wirtschaftlichen Notlage von den Anpassungen an die gesetzliche Rentenentwicklung absehen darf.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO a.F. auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen der als solcher unstreitigen Berechnung der Ansprüche des Klägers wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Versorgungsordnung so ausgelegt, dass der betriebliche Invaliditätsrentenanspruch stets auf einem prozentualen Satz der jeweiligen gesetzlichen Rente festgelegt sei. Die Voraussetzungen zur Kürzung der betrieblichen Rente und damit der Nicht-Weitergabe der gesetzlichen Steigerungen hat es verneint, weil aufgrund des erstinstanzlichen Vortrages der Beklagten zu den Verlusten im Jahre 1998 und 1999 eine nachhaltige Verschlechterung noch nicht festgestellt werden könne. Auch habe die Beklagte nicht hinreichend substantiiert zu einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung vorgetragen.

Gegen dieses ihr am 03.01.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.02.2002 Berufung und diese am 27.02.2002 begründet.

Sie trägt vor, aufgrund einer nachhaltigen und dramatisch schlechten Wirtschaftslage sei sie außerstande, den 52 Betriebsrentnern eine Anpassung der betrieblichen Renten zu gewähren. Die Entwicklung der Gewinne und Verluste der letzten 20 Jahre stellten sich aufgrund der testierten Jahresabschlüsse wie folgt dar:

Gewinn (+) in DM

Geschäftsjahr

Verlust (–) in DM

1980

156.817,90 -

1981

542.466,00 +

1982

127.382,34 +

1983

120.273,69 +

1984

5.977,62 +

1985

769.182,97 -

1986

444.172,99 -

1987

556.529,53 +

1988

38.656,95 -

1989

694.044,89 -

1990

402.009,09 -

1991

716.478,94 +

1992

255.372,92 -

1993

19.865,45 -

1994

237,963,62 +

1995

311.809,66 +

1996

128.259,71 +

1997

39.342,43 -

1998

881.799,16 -

1999

433.463,37 -

Summe der letzten

20 Jahre

1.387.587,01 -

Die Verlustvorträge im Jahre 1998 zusammen mit dem Verlust aus 1998 habe das eingesetzte Kapital, welches 900.000,00 DM betrage, um 759.000,00 DM überschritten.

Nur unter Berücksichtigung der stillen Reserven seien der Beklagten weitere Schritte erspart geblieben. Auch der am 13.07.2001 erstellte Abschluss für 1999 ergebe kein positives Bild. Der Bilanzauszug zeige, dass die Beklagte auch im Jahr 1999 einen nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 1.192.587,00 Mio. DM verzeichnet habe. Der Abschluss für 2000 liege noch nicht vor.

Um die Liquidität der Beklagten zu erhalten, habe der Geschäftsführer Anfang 2001 aus seiner privaten Lebensv...

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