Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 26.05.1998; Aktenzeichen 8 Ca 1056/96)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.05.1998 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 8 Ca 1056/96 abgeändert:

1) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 29.08.1996 nicht beendet worden ist.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 36,7 % die Beklagte, im übrigen der Kläger.

Streitwert: 28.581,36 DM.

 

Tatbestand

(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Parteien streiten hauptsächlich um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 29.08.1996. Die Beklagte hat sie ausgesprochen, weil sie dem seit 1979 bei ihr beschäftigten, 1946 geborenen Kläger türkischer Staatsangehörigkeit vorwirft, trotz einschlägiger Abmahnungen bewußt mit seiner Arbeitsleistung zurückgehalten und am 21.08.1996 in einem Kritikgespräch geäußert zu haben, ihm reiche seine Leistung aus.

Das Arbeitsgericht hat die mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verbundene, auch gegen eine Wiederholungskündigung vom 21.10.1996 gerichtete Kündigungsschutzklage abgewiesen – ebenso wie die auf Entfernung zweier Abmahnungen gerichtete Leistungsklage. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter und verweist auf seine durch Anerkennung als Schwerbehinderter am 06.03.1997 (Bl. 111) zum Ausdruck gekommenen gesundheitlichen Beschwerden, die der Beklagten hätten bekannt sein müssen. Es verstehe sich von selbst, daß er zwingend aus gesundheitlichen Gründen den Anforderungen und Vorstellungen des Arbeitgebers nicht Genüge tun könne; er habe die vereinbarten Leistungen entsprechend seinem Gesundheitszustand optimal erbracht. Die Beklagte hätte ihm einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen müssen. Auf anderem Arbeitsplatz sei seine Weiterbeschäftigung möglich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 29.08.1996 aufgelöst worden ist;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen weiter zu beschäftigen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 20.06.1996 und vom 08.08.1996 ersatzlos aus seiner Personalakte zu entfernen;
  4. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder fristlos noch fristgerecht durch die Kündigungserklärung vom 21.10.1996 aufgelöst worden ist, statt dessen zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen weiter fortbesteht.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und bestreitet erneut, daß die Minderleistungen des Klägers auf gesundheitliche Einschränkungen zurückzuführen seien, wie aus den Bestätigungen ihres Werksarztes vom 06.02.1992 (Bl. 40), 19.05.1995 (Bl. 45) und 11.10.1995 (Bl. 46) ebenso hervorgehe wie aus den vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen des Dr. P. vom 28.01.1992 (Bl. 109) und 12.08.1996 (Bl. 98). Auf entsprechende Fragen habe der Kläger stets geäußert, daß er sich auf seinem Arbeitsplatz wohl fühle und keinen Arbeitsplatzwechsel wünsche – so zuletzt am 19.08.1996 (Bl. 50).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist soweit begründet, als die fristlose Kündigung vom 29.08.1996 betroffen ist. Insoweit war der Klage stattzugeben: Die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht fristlos, weil ein wichtiger Grund i. S.v. § 626 Abs. 1 BGB nicht erkennbar ist.

Ein wichtiger Grund in diesem Sinne kann nicht in den Minderleistungen des Klägers gesehen werden. Es ist schon zweifelhaft, ob dieser Vorwurf sich noch als Kündigungsgrund eignet, nachdem die Aktennotiz vom 21.08.1996 (Bl. 290) ebenso wie die Betriebsratsanhörung (Bl. 52) darauf hindeuten, daß der Zeuge D. noch im Gespräch am 21.08.1996 eine mündliche Abmahnung wegen dieses Verhaltens ausgesprochen hat: Bekanntlich beseitigt eine Abmahnung zunächst einmal ein Kündigungsrecht bis zum Eintritt eines Wiederholungsfalles (BAG, Urteil vom 10.11.1988 – 2 AZR 215/88 in DB 1989, 1427). Daß ein solcher Wiederholungsfall noch nach dem Gespräch am 21.08.1996 zu verzeichnen ist, ist mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der Kläger schon ab dem folgenden Tag krank geschrieben wurde, mehr als zweifelhaft.

Das mag dahinstehen; denn jedenfalls kann dem Kläger nicht widerlegt werden, daß Minderleistungen behinderungsbedingt und damit nicht vorwerfbar waren. Die ärztlichen Stellungnahmen beweisen entgegen der Ansicht der Beklagten keineswegs das Gegenteil: Sie attestieren lediglich eine qualitative Eignung des Klägers für den Arbeitsplatz und äußern sich zu der zu erwartenden Arbeitsmenge überhaupt nicht. Sie stellen damit klar, daß vom Arbeitsplatz ...

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