Entscheidungsstichwort (Thema)

Leiharbeitnehmer. Fahrtkostenerstattung. Fahrzeitvergütung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Leiharbeitnehmer hat, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nichts anderes ergibt, einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten nach § 670 BGB, wenn er auf Weisung des Arbeitgebers nicht direkt von seiner Wohnung zum Entleiher, sondern zunächst zum Betrieb des Verleihers fährt, um mit seinem privaten Fahrzeug von dort Kollegen mit zum Einsatzort zu transportieren.

2. In einem solchen Fall kann die Fahrtzeit auch gemäß § 612 Abs. 1 BGB als Arbeitszeit zu vergüten sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber sich vertraglich vorbehalten hat, den Leiharbeitnehmer im gesamten Bundesgebiet einzusetzen und der Stundenlohn des Leiharbeitnehmers so niedrig ist, dass die Fahrtzeit dann nicht schon pauschal mitvergütet sein kann. Dann wird eine objektive Vergütungserwartung des Leiharbeitnehmers auch nicht durch das Fehlen einer Regelung über die Vergütung der Reisezeit in einem von mehreren für die Branche geltenden Tarifverträgen ausgeschlossen.

 

Normenkette

BGB § 612 Abs. 1, § 670

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 12.06.2006; Aktenzeichen 1 Ca 11155/05)

 

Tenor

1) Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.06.2006 – 1 Ca 11155/05 – wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt,

  1. an den Kläger 758,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 180,38 EUR brutto seit dem 01.09.2005, aus weiteren 192,19 EUR brutto seit dem 01.10.2005, aus weiteren 179,89 EUR brutto seit dem 01.11.2005 und aus weiteren 206,03 EUR brutto seit dem 01.12.2005 zu zahlen;
  2. an den Kläger 1.500,54 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 327,90 EUR seit dem 01.09.2005, aus weiteren 520,38 EUR seit dem 01.10.2005, aus weiteren 319,50 EUR seit dem 01.11.2005 und aus weiteren 332,76 EUR seit dem 01.12.2005 zu zahlen.

1) Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 18,5 % und die Beklagte 79,15 %.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütung von Reisezeiten und Aufwandsentschädigung (Fahrtkosten) aus einem beendeten Leiharbeitsverhältnis.

Der Kläger war bei der Beklagten als Lagerhelfer vom 14.07.2006 bis Ende November 2005 mit einer Mindestarbeitszeit von 152 Stunden/Monat und einem Bruttostundenlohn von 6,15 EUR beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 13.07.2005 nimmt in § 1 Bezug auf die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister (AMP). Der Arbeitsvertrag enthält keine Regelung zur Erstattung von Reisekosten oder Fahrtkosten. Der Manteltarifvertrag der genannten Tarifgemeinschaft (MTV) sieht unter Ziffer 16 (Ersatz von Aufwendungen) vor, dass die durch wechselnde Einsatzorte entstehenden zusätzlichen erstattungsfähigen Aufwendungen des Arbeitnehmers gemäß § 670 BGB auf betrieblicher Ebene geregelt werden. Zur Reisezeitvergütung enthält der MTV keine Regelung. Der Kläger wurde in den Monaten Juli bis November 2005 an verschiedenen Orten in der Region eingesetzt. Er fuhr mit seinem Privat – PKW und nahm auf Anweisung der Beklagten mehrfach Kollegen vom Betriebssitz zum Einsatzort mit. Die Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Betriebsstätte beträgt 6 km und die Fahrtzeit dauert ca. 10 Minuten.

Der Kläger hat mit den Schreiben vom 30.10.2005 und 23.11.2005 sowie Klageerweiterung vom 29.12.2005 für die Monate Juli bis November 2005 Reisekostenvergütung in Höhe von 891,75 EUR und Fahrtkostenersatz in Höhe von 1.877,64 EUR geltend gemacht. Die dazu von ihm vorgelegten Aufstellungen enthalten Angaben über den Arbeitstag, den Einsatzort, die Einsatzfirma, die Fahrtzeit, den Arbeitsanfang und das Arbeitsende, die gefahrenen Kilometer, die Fahrtkosten sowie, die Mitnahme von Kollegen von der Betriebsstätte zum Einsatzort. Der Kläger ist bei der Berechnung seiner Klageforderung von folgenden Grundlagen ausgegangen: Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten von 0,30 EUR pro km. Vergütung der Fahrtzeiten in Höhe des tariflichen Stundenlohns von 6,15 EUR brutto. Keine Fahrtkostenerstattung und Fahrzeitvergütung für die Hin- und Rückfahrt von seiner Wohnung zum Betriebssitz, mit Ausnahme der Tage, an denen er von der Betriebsstätte Kollegen zum Einsatzort mitgenommen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Kläger vorgelegten Aufstellungen verwiesen. Der Kläger hat behauptet, er sei zu den Einsätzen jeweils mit seinem eigenen Pkw gefahren. Es handele sich um einen Mini-Van mit einem Hubraum von 1834 ccm und einer Leistung von 131 PS. Der Verbrauch des Fahrzeugs liege durchschnittlich bei 11 l/100 km.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 891,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 133,21 EUR brutto seit dem 01.08.2005, aus weiteren 180,38 EUR brutto sei...

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