Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeitbetrug. Gleitzeitmanipulation. Verdachtskündigung. Umdeutung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitszeitbetrug verbunden mit dem dringenden Verdacht langfristiger Gleitzeitmanipulationen rechtfertigt die außerordentliche Kündigung auch eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses.

2. Der Arbeitgeber ist nicht daran gehindert, die außerordentliche Kündigung als Tat- und Verdachtskündigung auszusprechen, wenn er den Betriebs-/Personalrat zu beiden Aspekten angehört hat.

3. Der Arbeitnehmer hat die aufgewandten Detektivkosten zu erstatten, soweit sie zum Nachweis seiner vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung notwendig waren.

 

Normenkette

BAT § 53; BGB § 626; LPVG NW § 66

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 17.10.2002; Aktenzeichen 11 Ca 12761/01)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 17.10.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 11 Ca 12761/01 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht vor dem 30.06.2002 beendet worden ist. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.052,96 EUR nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert beträgt unverändert 18.212,70 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung durch die Beklagte vom 14.12.2001 und über die Pflicht des Klägers zur Erstattung von Detektivkosten in Höhe von 9.864,65 EUR sowie einer Überzahlung in Höhe von 218,51 EUR.

Der am 12.10.1949 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.08.1985 bei der beklagten Stadt zunächst als Leiter des Bauhofs und nach einer Umsetzung ab 1993 als Bauaufseher im Bereich Verkehrsflächen tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 5.300,– DM. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.10.2002 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist, und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 9.864,65 EUR nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Soweit die Beklagte dem Kläger einen sog. Gleitzeitbetrug vorwerfe, fehle es unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände am Vorliegen eines Kündigungsgrundes, weil es sich letztlich nur um einen geringfügigen Kernzeitverstoß handele. Auch die unstreitige Ausübung privater Geschäfte während der Arbeitszeit rechtfertige vor dem Hintergrund eines mehr als 16jährigen Arbeitsverhältnisses ohne eine vorherige Abmahnung keine außerordentliche, fristlose Kündigung des Klägers. Demgegenüber sei der Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten in voller Höhe begründet, weil die Überwachung wegen eines konkreten Tatverdachts gegen den Arbeitnehmer zulässig gewesen und der Kläger auch einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe wird auf Blatt 134 ff. der Akten Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts haben beide Parteien fristgerecht Berufung eingelegt. Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass es sich bei dem unstreitigen Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes und dem Bedienen der Stechuhr sowie der Ausübung der Nebentätigkeit während der Krankschreibung nicht um einen Einzelfall gehandelt habe. Das Ergebnis der auf eine Woche beschränkten Observation habe den Verdacht bestätigt, dass der Kläger sein Fehlverhalten bereits langfristig und systematisch praktiziert habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.10.2002 – 11 Ca 12761/01 – abzuändern und

  1. die Klage abzuweisen sowie
  2. den Kläger zu verurteilen, an sie 10.083,16 EUR nebst 8,62 % Zinsen seit dem 20.12.2001 zu zahlen,
  3. die Berufung des Klägers und Widerbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.10.2002 – 11 Ca 12761/01 – zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 17.10.2002 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln – 11 Ca 12761/01 – die Widerklage abzuweisen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Beklagte habe vor der Beauftragung der Detektei keinen Preisvergleich angestellt, überhöhte Preise akzeptiert und dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Nach seiner Berechnung hätten allenfalls Kosten in Höhe von 5.052,96 EUR entstehen dürfen. Im übrigen stelle der Verdacht der Beklagten, dass er sein Fehlverhalten langfristig und systematisch praktiziert habe, eine ...

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