Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. außerordentliche bei „Unkündbarkeit”. wegen Schließung des Theaters. Aufhebungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Bühnenoberschiedsgericht würde bei der Heranziehung der Beisitzer zu den einzelnen Sitzungen (§ 7 Abs. 2 BSchGO) nicht gegen den Grundsatz verstoßen, daß dies „Sache der Tarifvertragsparteien” ist, wenn es analog §§ 39, 31 ArbGG mit Hilfe einer von den Tarifvertragsparteien zuvor mitgeteilten Liste verfahren wäre. Jedenfalls die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung (entsprechend § 551 Nr. 1 ZPO wäre mit dieser Begründung nicht gegeben; Bedenken, ob es diese Rüge in der Aufhebungsklage gemäß § 110 ArbGG überhaupt gibt, oder wie diese Rüge wegen der Revisionsähnlichkeit des Verfahrens förmlich vorzubringen wäre (§§ 554 Abs. 2 Nr. 3 b; 559 Abs. 2 S. 2; 558 ZPO), können dahinstehen.

2. Der allgemeine Grundsatz (BAG), daß das Arbeitsverhältnis eines „Unkündbaren” im Falle der Stillegung aus betriebsbedingten Gründen durch eine außerordentliche Kündigung mit einer der längstmöglichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet werden kann, ist auf ein befristetes Bühnenarbeitsverhältnis entsprechend anzuwenden, wenn dieses wegen § 2 Abs. 3 des TV Mitteilungspflicht nicht mehr durch Zeitablauf nach einer gemäß § 2 Abs. 2 TV Mitteilungspflicht fristgerechten Nichtverlängerungsmitteilung sein Ende finden könnte, sondern aus Altersgründen nur in Verbindung mit einem Änderungsangebot für die Weiterbeschäftigung an dem selben – jetzt von Stillegung betroffenen – Theater.

3. Der wichtige Grund setzt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ultima ratio) regelmäßig voraus, daß mit der Auslauffrist mindestens die mit der längsten Erklärungsfrist für die Nichtverlängerungsmitteilung (§ 2 Abs. 2 TV Mitteilungspflicht) verbundene wirtschaftliche Sicherung durch den Gagenanspruch erhalten bleibt; ein Rückgriff auf kürzere Kündigungsfristen beispielsweise des § 55 Abs. 2 BAT scheidet damit im allgemeinen aus.

4. Die Interessenabwägung hat zu berücksichtigen, daß sich der altersbedingt größere Schutz des § 2 Abs. 3 Unterabs. 2 TV Mitteilungspflicht (Änderungsmitteilung nur für das selbe Theater) nicht zum Nachteil des Bühnenmitgliedes auswirken sollte, also auch älteren Bühnenmitgliedern vorrangig die Beschäftigung bei einem anderen Theater des selben Rechtsträgers in zumutbarer Weise anzubieten ist (Unterabs. 1 a. a. O.).

5. Das Gericht der Aufhebungsklage hat nach §§ 110 ArbGG wegen der Revisionsähnlichkeit dieses Verfahrens einen Beurteilungsspielraum des Bühnenoberschiedsgerichts für die Feststellung des wichtigen Grundes zu beachten: Es ist insbesondere bei der gebotenen Interessenabwägung auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob das Schiedsgericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder gegen Denkgesetze verstoßen oder wesentlichen Tatsachenstoff außer Betracht gelassen hat.

 

Normenkette

BGB § 626; Bühnenengagementsvertrag § 611; ArbGG § 110 Abs. 1 Nr. 2, § 104; Normalvertrag Solo (NV Solo) § 15; TV Mitteilungspflicht § 2 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 06.12.1995; Aktenzeichen 9 Ca 3580/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.11.1997; Aktenzeichen 2 AZR 253/97)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes (Aufhebungskläger) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 6. Dezember 1995 – 9 Ca 3580/95 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Land.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebungsklage des Landes B gemäß § 110 ArbGG gegen den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts Frankfurt, mit dem unter Zurückweisung der dortigen Berufung des beklagten Landes der Feststellungsklage gegen eine außerordentliche Kündigung vom 28.09.1995 des Bühnenarbeitsverhältnisses der Klägerin stattgegeben worden ist.

Der Senat des Landes B beschloß am 22.06.1993, die Staatlichen Schauspielbühnen, nämlich das Schiller Theater, die Werkstatt und das Schloßtheater zu schließen. Die letzte Vorstellung in diesen Theatern fand am 04.10.1993 statt; seitdem ruht der Spielbetrieb.

Die am 12.05.1939 geborene Klägerin war seit 1960 auf der Grundlage von üblicherweise und nach Maßgabe des anzuwendenden Normalvertrages Solo (NV-Solo) jeweils auf das Spielzeitende befristeten Arbeitsverträgen als Schauspielerin an den Staatlichen Schauspielbühnen des Landes engagiert, ihr Monatsgehalt betrug zuletzt 8.639,68 DM brutto. Nach § 2 des ebenfalls anzuwendenden Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht vom 23.11.1977 (TVM) endet der Arbeitsvertrag mit dem Ablauf einer Spielzeit nur dann, wenn der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung u. a. fristgerecht ausgesprochen hat.

Gemäß § 2 Abs. 2 u. 3 TVM hätte im Zeitpunkt der Kündigung eine Nichtverlängerungsmitteilung gegenüber der Klägerin frühestens zum 31.07.1995 und nur zu dem Zweck ausgesprochen werden können, das Arbeitsverhältnis „unter anderen Vertragsbedingungen bei dem im Arbeitsvertrag angegebenen Theater fortzusetzen”.

Gemäß § 15 Abs. 1 NV-Solo...

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