Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachgeschobene Verdachtskündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Bekanntwerden neuer Verdachtselemente ist es nach Anhörung der Personalvertretung auch zulässig, Kündigungsgründe in das Verfahren einzuführen, die eine Verdachtskündigung begründen. Dies gilt auch dann, wenn zunächst eine Tatkündigung ausgesprochen wurde. Eine zusätzliche Anhörung des Arbeitnehmers, der sich bereits im Ermittlungsverfahren eingelassen hat und der im Klageverfahren Stellung genommen hat, ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 17.03.2005; Aktenzeichen 8 Ca 3340/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.03.2005 – 8 Ca 3340/04 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der am 01.04.1954 geborene Kläger, verheiratet und Vater von fünf zwischen 1982 und 1989 geborenen Kindern ist seit dem 01.06.1987 Arbeitnehmer des beklagten Landes. Auf das Arbeitsverhältnis sind die Tarifregelungen für Angestellte des öffentlichen Dienstes anwendbar. Der Kläger war als Diplom-Ingenieur (Elektrotechnik) beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb K als Sachbearbeiter in der Planung, Durchführung und Überwachung öffentlicher Baumaßnahmen tätig. Er war in Vergütungsgruppe II a/b BAT eingruppiert und erzielte eine Monatsvergütung von 4.150,00 EUR.

Vor seinem Eintritt in den öffentlichen Dienst war der Kläger bei dem Ingenieurbüro K angestellt. Im Jahr 1993 und 1994 hatte das Bauamt die Baumaßnahme „Datenverarbeitung Mudra-Kaserne” zu betreuen, der Kläger war der zuständige Sachbearbeiter. Zur Durchführung der Planungs- und Bauüberwachungsmaßnahmen wurde als externer Dienstleister das Ingenieurbüro K eingeschaltet. Eine solche Beauftragung eines externen Dienstleisters ist dann möglich, wenn die Kapazitäten des Bauamtes nicht ausreichend sind, um die verschiedenen Arbeitsaufgaben mit eigenen Kräften zu erledigen. Grundsätzlich ist das Bauamt jedoch in der Lage, die extern vergebenen Ingenieurleistungen auch mit eigenen Kräften zu erbringen. In den Jahren 2001 bis 2003 war der Kläger unter anderem zuständiger Sachbearbeiter hinsichtlich der elektrotechnischen Belange bei der Sanierung der Luftwaffenkaserne K. Auch in diesem Zusammenhang wurde das Ingenieurbüro K beauftragt.

In der Zeit von 1992 bis 1999 erhielt der Kläger insgesamt unstreitig 794.616,40 DM durch das Ingenieurbüro K gezahlt. Nach einer im Herbst 2003 erzielten Einigung mit Herrn K sollten dem Kläger noch weitere Differenzbeträge bis zum Ausgleich einer Gesamtforderung von 904.471,77 DM gezahlt werden. Die Ermittlungen haben zwischenzeitlich ergeben, dass der Kläger im Jahr 2000 weitere 13.577,60 DM brutto seitens des Ingenieurbüros K erhalten hat, sowie im Jahre 2003 weitere 38.686,00 EUR brutto.

Der Kläger unterhielt unter dem Namen seiner jeweiligen Ehefrau ein Schreibbüro, welches dem Ingenieurbüro K für Schreibleistungen Rechnungen ausstellte. Die Rechnungsinhalte bzw. angegebenen Leistungen der Rechnungen sind unstreitig fiktiv. Der Kläger gibt an, für das Ingenieurbüro K Zeichnungen erstellt zu haben und Teile der an K nach HOAI beauftragten Leistungen, wie zum Beispiel die Erstellung von Ausschreibungen und Leistungsverzeichnissen, in seiner Freizeit zu Hause auf seinem privaten Computer erstellt zu haben. Weitere Teile der Vergütung, die von K an den Kläger geleistet wurden, seien für Zeichnungen bezahlt worden, die die technische Zeichnerin G, die ebenfalls Arbeitnehmerin des beklagten Landes im BLB K war, für den Kläger erstellt haben soll.

Am 16.12.2003 wurde der Kläger vorläufig inhaftiert. Am gleichen Tag wurden verschiedene Hausdurchsuchungen insbesondere auch in den Geschäftsräumlichkeiten des BLB K durchgeführt. Gegen den Kläger wird wegen Verdachts der Untreue, Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit ermittelt. Die Ermittlungen sind nicht abgeschlossen. Die Ermittlungsakte umfasst derzeit mehr als 7.000 Seiten.

Darüber hinaus erhielt der Kläger weitere Gelder seitens der Firma R welche in der Baumaßnahme Mudra-Kaserne beauftragt war. Die Zahlungen erfolgten nach Rechnungsstellung durch das Schreibbüro der Ehefrau des Klägers. Von der Firma U, welche in der Baumaßnahme Luftwaffenkaserne K eingesetzt war, erhielt der Kläger Barzahlungen in Höhe von 10.000,00 EUR.

Am 26.02.2004 wurden dem beklagten Land erstmals Auszüge aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte übergeben. Am 09.03.2004 sprach das beklagte Land die streitgegenständliche fristlose Kündigung gegenüber dem Kläger aus. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat das beklagte Land weitere Sachverhalte nach Anhörung des Personalrats in das Verfahren eingeführt.

Das beklagte Land vertritt die Ansicht, dass gegenüber dem Kläger der erhebliche Verdacht bestehe, dass die von ihm bezogenen Gelder nicht für von ihm tatsächlich erbrachte Ingenieurleistungen gezahlt wurden, sondern entweder dafür, dass der Zahlende den entspreche...

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