Entscheidungsstichwort (Thema)

Leiharbeitnehmer. betriebsbedingte Kündigung. Auftragsmangel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kurzfristige Auftragslücken sind nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmerverleihers gegenüber einem Leiharbeitnehmer sozial zu rechtfertigen.

2. Es bleibt offen, ob aus Art. 1 § 9 Ziff. 3 AÜG die grundsätzliche Wertung entnommen werden kann, dem Verleiher müsse zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis auch bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit über einen Zeitraum von drei Monaten aufrechtzuerhalten und zu erfüllen (so LAG Frankfurt/M. v. 17.11.1983 EzAÜG Nr. 137).

 

Normenkette

AÜG Art. 1 § 9 Ziff. 3; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 10.12.1997; Aktenzeichen 9 Ca 11107/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.12.1997 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 9 Ca 11107/96 unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 04.06.1997 wird im folgenden Umfang aufrechterhalten:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 15.11.1996 zum 15.12.1996 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 22.11.1996 zum 31.12.1996 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 19.546,38 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem jeweiligen Differenznettobetrag von

3.540,67 DM seit 16.02.1997

3.085,80 DM seit 16.03.1997

3.224,09 DM seit 16.04.1997

3.394,38 DM seit 16.05.1997

3.370,38 DM seit 16.06.1997

2.931,51 DM seit 16.07.1997

zu zahlen.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen vom 15. bzw. 22.11.1996 (Kopie Bl. 6, 8 d. A.), Weiterbeschäftigung, Urlaubsabgeltung und rückständige Vergütung. Von einer erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Mit Versäumnisurteil vom 04.06.1997 hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die streitbefangenen Kündigungen nicht zum 31.12.1996 aufgelöst worden ist und unverändert fortbesteht, ferner die Beklagte verurteilt, den Kläger als Elektroniker zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen und an ihn 1.062,47 DM brutto (Lohndifferenzen Juli bis November 1996) sowie 1.858,39 DM brutto (Differenz Dezember 1996 einschließlich Urlaubsabgeltung) zu zahlen.

Auf den rechtzeitigen Einspruch der Beklagten hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 10.12.1997 erkannt, daß das Versäumnisurteil vom 04.06.1997 aufrechterhalten bleibt und die Beklagte zur Zahlung weiterer 19.546,38 DM nebst Zinsen (Lohn für Januar bis Juni 1997) verurteilt wird.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ergeht im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO, nachdem beide Parteien schriftlich ihre Zustimmung dazu erklärt haben.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 15. bzw. 22.11.1996 nicht zum 31.12.1996 beendet worden. Die Kündigungen sind nach Maßgabe des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes sozial ungerechtfertigt. Sie sind insbesondere nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb entgegenstanden, bedingt. Die Angriffe der Berufung vermögen an der insoweit zutreffenden Beurteilung des Arbeitsgerichts nichts zu ändern. Ergänzend ist dazu festzustellen:

Die Beklagte hat die Kündigung mit dem Vorliegen von „Auftragsmangel” begründet. Auftragsmangel bzw. Umsatzrückgang können eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, daß ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen ist. Dabei ist auf die Verhältnisse abzustellen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorlagen. Die erforderliche Negativprognose muß einmal dahin gehen, daß der Arbeitsplatz spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist wegfällt, zum anderen dahin, daß der bis zum Kündigungszeitpunkt bereits eingetretene geringere Personalbedarf noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht (vgl. nur Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rdnr. 644 m.w.N.).

Dies kann nach dem Vorbringen der Beklagten bezogen auf den Arbeitsplatz des Klägers nicht festgestellt werden. Gegen einen verringerten Personalbedarf im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen spricht bereits das modifizierte Kündigungsschreiben vom 22.11.1996, in dem die Beklagte den Urlaubsantrag des Klägers gerade mit der Begründung zurückweist, er müsse v...

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