Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Wirksamwerden der Bestätigung eines Insolvenzplans hinsichtlich Ansprüchen oder Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Voraussetzungen des Eingriffs in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten in der betrieblichen Altersversorgung. Zulässigkeit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus wichtigem Grund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Wirksamwerden der Bestätigung eines Insolvenzplans erlischt jedoch das Amt des Insolvenzverwalters (§ 259 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Schuldner erhält das Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse zurück (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO) und wird mit der Aufhebung für ein noch schwebendes Verfahren wieder selbst prozessführungsbefugt (BGH 7. Juli 2008 - II ZR 26/07 - Rn. 9). Dies entspricht den Festlegungen im Insolvenzplan. Ist dieser - wie vorliegend - in formelle Rechtskraft erwachsen, treten die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 Abs. 1 Satz 1 InsO). Insolvenzforderungen können daher nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden (BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 764/13 - Rn. 67; BGH 19. Mai 2011 - IX ZR 222/08 - Rn. 8).

2. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG gehen Ansprüche oder Anwartschaften des Berechtigten gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die den Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung begründen, im Falle eines Insolvenzverfahrens mit dessen Eröffnung über. Der Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nach § 1b BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft hat, erwirbt unter den in § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung auf Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei Eintritt des Versorgungsfalls. Im Gegenzug geht seine zum Zeitpunkt des Sicherungsfalls bestehende Anwartschaft gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auf den Pensions-Sicherungs-Verein über, der deren Wert als unbedingte Forderung zur Insolvenztabelle anmelden kann (§ 174 Abs. 1, § 45 Satz 1 InsO).

3. Unter sachlich-proportionalen Gründen sind willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe zu verstehen, die auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens oder einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung beruhen können (vgl. BAG 11. Mai 1999 - 3 AZR 21/98 - zu III 2 c bb der Gründe, BAGE 91, 310). Dabei müssen wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht das für einen triftigen Grund erforderliche Ausmaß erreicht haben. Eine langfristige Substanzgefährdung oder eine dauerhaft unzureichende Eigenkapitalverzinsung ist nicht erforderlich. Zur Rechtfertigung des Eingriffs bedarf es auch weder der sachverständigen Feststellung einer insolvenznahen wirtschaftlichen Notlage noch eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans (vgl. BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 181/08 - Rn. 61, BAGE 133, 181).

4. Die für einen derartigen Eingriff ausreichenden sachlich-proportionalen Gründe können sich auch aus dem Interesse des Betriebserwerbers ergeben, die Versorgungsbedingungen zu vereinheitlichen. Dieses Interesse hat der Gesetzgeber in § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB anerkannt. Er hat dem Ordnungsinteresse des neuen Betriebsinhabers gegenüber den Interessen der Arbeitnehmer an der Beibehaltung der bisherigen Regelungen Vorrang eingeräumt, wenn die neue Betriebsvereinbarung in dem mit dem Betriebserwerber bestehenden Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend anzuwenden ist (vgl. BAG 29. Juli 2003 - 3 AZR 630/02 - Rn. 74; LAG Baden-Württemberg 23. März 2011 - 13 Sa 155/10 -).

5. Zwar ist es grundsätzlich möglich, eine Betriebsvereinbarung aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen - allerdings nur, wenn ihre Fortgeltung bis zum vereinbarten Ende oder zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer Seite nicht zugemutet werden kann. Dabei sind an die Gründe für die fristlose Kündigung strenge Anforderungen zu stellen (BAG 19. Juli 1957 - 1 AZR 420/54 -; BAG 28. April 1992 - 1 ABR 68/91 -; ErfK/Kania 16. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 101; Fitting 27. Aufl. § 77 Rn. 151; Ziai-Ruttkamp in Grobys/Panzer StichwortKommentar Arbeitsrecht 2. Aufl. Betriebsvereinbarung Rn. 52). Eine pauschale Begründung kann die Kündigung jedoch nicht rechtfertigen. Nach allgemeinen Grundsätzen muss derjenige, der nicht länger an einem Vertragsverhältnis festhalten will und eine außerordentliche Kündigung erklärt, im einzelnen Tatsachen vortragen, denen zu entnehmen ist, dass wichtige Gründe für eine vorzeitige Beendigung vorliegen und warum ein Festhalten am Vereinbarten auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht von ihm verlangt werden kann (BAG 28. April 1992 - 1 ABR 68/91 -).

 

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