Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 23.08.1996; Aktenzeichen 5 d Ca 300/96)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.08.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 5d Ca 300/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: unverändert.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses trotz des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages vom 22.02.1996.

Der Beklagte, der einen Betrieb für Maler- und Lackiererarbeiten mit ca. 10 Arbeitnehmern führt, wirft der 47-jährigen, seit 1978 im Betrieb als einzige Büroangestellte beschäftigten Klägerin Wettbewerbsverstöße vor. Er bestellte sie zu einem Gespräch am 22.02.1996, in dem er sie mit den Vorwürfen konfrontierte. Ergebnis des Gesprächs war der Abschluß eines schriftlichen Aufhebungsvertrages, in dem die Parteien eine einvernehmliche Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 01.03.1996 gegen Zahlung einer Abfindung von 6.000,– DM vereinbarten. Den Abfindungsbetrag zahlte der Beklagte der Klägerin bei gleicher Gelegenheit per Scheck aus. Den Scheck löste die Klägerin am 01.03.1996 ein. Mit Schreiben vom 04.03.1996 erklärte sie die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen Drohung: Ihr sei mit Strafanzeige und fristloser Kündigung gedroht worden; zudem habe sie ihre Entscheidung, dem Aufhebungsvertrag zuzustimmen, unter dem Eindruck einer „strukturellen Unterlegenheit” getroffen, da auf Arbeitgeberseite fünf Personen am Gespräch beteiligt gewesen seien, die alle massiv und anhaltend auf sie eingeredet hätten.

Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter, indem sie darauf verweist, für die von ihr behauptete Drohung ordnungsgemäß Beweis angetreten zu haben. Vor dem Gespräch am 22.02.1996 sei ihr dessen Thema nicht mitgeteilt worden. Der Beklagte habe sich im Gespräch auf Beweismaterial bezogen, das ihr nicht gezeigt worden sei und das es wohl auch nicht gebe. Ihren Wunsch nach Unterstützung durch ihren Rechtsanwalt habe man abgeschlagen. Aus den Umständen sei zu entnehmen gewesen, daß es sich bei der angedrohten Kündigung nur um eine fristlose habe handeln können. Die erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend und hätten einen verständigen Arbeitgeber nicht veranlaßt, eine fristlose Kündigung ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, daß das zwischen den Parteien seit dem 01.01.1978 bestehende Arbeitsverhältnis durch die Aufhebungsvereinbarung vom 22.02.1996 nicht beendet wurde.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung unter Wiederholung und Ergänzung der gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung ist zu Recht ergangen: Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch den Aufhebungsvertrag vom 22.02.1996 beendet worden.

Der Aufhebungsvertrag ist weder unwirksam noch inhaltlich zu korrigieren noch ist es dem Beklagten verwehrt, sich auf ihn zu berufen:

Ein Aufhebungsvertrag ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- bzw. Widerrufsrecht eingeräumt und ihm auch das Thema des beabsichtigten Gesprächs vorher nicht mitgeteilt hat (BAG, Urteil vom 30.9.1993 – 2 AZR 268/93 in AP Nr. 37 zu § 123 BGB gegen LAG Hamburg Urteil vom 3. Juli 1991 – 5 Sa 20/91 – LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 6). Eine abweichende Rechtsfortbildung ist auch nicht angesichts der Entscheidung des BVerfG vom 19.10.1993 (BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36) geboten, weil es beim Abschluß von Aufhebungsverträgen an einer „strukturellen Unterlegenheit” des Arbeitnehmers fehlt (BAG, Urteil vom 14.02.1996 – 2 AZR 234/95 in NZA 1996, 811). Anders als etwa bei der Eingehung eines Arbeitsvertrages kann dem Arbeitnehmer bei Aufhebungsverträgen nicht „die zur Durchsetzung seiner berechtigten Interessen erforderliche Verhandlungsmacht abgesprochen werden”, weil er deren Zustandekommen durch schlichtes „Nein” verhindern kann. (BAG a.a.O.; Hoß/Ehrich in DB 1997, 625 unter III 2).

Mit der numerischen Anzahl der an den Vertragsverhandlungen auf beiden Seiten beteiligten Personen und mit deren zahlenmäßigem Verhältnis zueinander hat der Begriff der strukturellen Unterlegenheit nichts zu tun. Der Begriff meint die Unterlegenheit, die sich aus der strukturbedingten Rollenverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich ergibt und deshalb stets anzunehmen ist (BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 5 AZR 339/92 in AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe unter A II 1 b dd). Wollte man bei dieser stets gegebenen strukturellen Unterle...

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