Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Tarifvertrag. kongruente Tarifgebundenheit. ver.di. Regelungsidentität

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verschmelzung tarifschließender Gewerkschaften zu ver.di am 1.7.2001 und kongruente Tarifgebundenheit.

2. Der Ablösung des Veräußerer TV durch den Erwerber TV nach § 613 a I 3 BGB steht § 95 der ver.di – Satzung nicht entgegen.

3. Die Ablösung setzt keine beiderseitige kongruente Tarifgebundenheit bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs voraus.

4. Die Verdrängungswirkung des § 613 a I 3 BGB setzt keine punktgenaue Deckungsgleichheit von Einzelregelungen im alten und neuen TV voraus. Zum Begriff der sog. Regelungsidentität.

 

Normenkette

BGB § 613a I 2, § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 22.10.2002; Aktenzeichen 1 Ca 10603/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.10.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 1 Ca 10603/01 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die tariflichen Regelungen zur Abwendung sozialer Härten bei Rationalisierungsmaßnahmen (Rationalisierungsschutzvertrag) der Druckindustrie vom 06.07.1984 Anwendung finden.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

  2. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 83 %, der Beklagten zu 17 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 88 %, die Beklagte zu 12 % zu tragen.
  3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der Druckindustrie oder die Tarifverträge der Kölner Hafenspediteure Anwendung finden.

Der Kläger war seit dem 25.10.1976 bei der B. KG als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Er war Mitglied der IG Medien. Die B. KG war Mitglied im Arbeitgeberverband Medien, Druck und Papier. Im Arbeitsvertrag heißt es: „Im übrigen gelten die Bestimmungen des jeweiligen Manteltarifvertrages der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und die Betriebsvereinbarungen.”

Zum 01.04.1998 wurde der Unternehmensbereich innerbetrieblicher Transport im Wege des Betriebsteilübergangs auf die Beklagte übertragen, die seinerzeit noch unter T. GmbH firmierte. Dieser Betriebsteilübergang erfasste auch das Arbeitsverhältnis des Klägers. Die Beklagte ist als Mitglied des Verbandes der K. e. V. (K.) an die von diesem Verband mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) vereinbarten Tarifverträge für alle Beschäftigten der K. Hafenumschlagsbetriebe gebunden. Zu diesen Tarifverträgen zählen der Rahmentarifvertrag vom 15.08.1997 (RTV-KSH) mit Regelungen über die allgemeinen Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Urlaub, Arbeit an Sonn- und Feiertagen, unter anderem auch Regelungen über Jahressonderzahlung und vermögenswirksame Leistungen) und der Tarifvertrag über die Entlohnung für die gewerblichen Arbeitnehmer.

Die Beklagte bot dem Kläger erfolglos den Abschluss eines Arbeitsvertrages unter Zugrundelegung der Tarifverträge KSH an. In der Folgezeit vergütete sie den Kläger nach den Tarifverträgen KSH.

Am 23.07.1998 erhob der Kläger Feststellungsklage darauf, dass sich bestimmte Arbeitsbedingungen nach dem MTV Druck richteten. Mit Klageerweiterungen beanspruchte er die Grundlohndifferenz für die Monate April bis Dezember 1998. Das BAG hat durch Urteil vom 21.02.2001 – 4 AZR 18/00 – den Klagen letztinstanzlich stattgegeben. Zur Begründung hat das BAG im Wesentlichen ausgeführt, die Bestimmungen des MTV Druck seien gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB am 01.04.1998 Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien geworden. Der Ausschluss der Transformation des alten Tarifvertrages nach § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB setze eine beiderseitige kongruente Tarifbindung voraus, die nicht vorliege, weil der Kläger als Mitglied der IG Medien nicht an die von der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge KSH gebunden sei.

Auf der Grundlage dieser Entscheidung rechnete die Beklagte die Ansprüche des Klägers vom 01.04.1998 bis zum 30.06.2001 nach den Tarifverträgen für die Druckindustrie ab und zahlte den von ihr ermittelten Differenzbetrag an den Kläger aus. Nach dem Zusammenschluss u. a. der IG Medien und der ÖTV zu ver.di am 01.07.2001 wendet die Beklagte seitdem wieder ausschließlich die Tarifverträge KSH an.

Zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 10.09.1999 zum 30.04.2000 gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung erklärt mit dem Ziel, den Lohn abzusenken und Zuschläge für Mehr- und Nachtarbeit nach dem RTV-KSH zu vergüten. Der Kläger hat die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen und Änderungsschutzklage erhoben. Außerdem hat er im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht, dass sich bestimmte Arbeitsbedingungen auch nach dem 30.06.2001 nach den Tarifnormen der Druckindustrie richteten. Ferner hat er Zahlung der Vergütungsdifferenz für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis zum 31.03.2002 verlangt. Der Kläger vertritt die

Auffassung, der Zusammenschluss der IG Medien mit weiteren Einzelgewerkschaften wie der ÖTV zu ver...

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