Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH. Reisekosten. auswärtiger Anwalt. ortsansässiger Anwalt

 

Leitsatz (amtlich)

1) Soll die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Vermeidung von Mehrkosten i.S.v. § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO eingeschränkt werden, etwa durch Beiordnung eines auswärtigen Anwalts „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts”, dann muss sich dies wegen § 122 Abs. 1 BRAGO bereits aus dem Beiordnungsbeschluss ergeben.

2) Ein auswärtiger Anwalt darf nur mit seinem Einverständnis „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts” beigeordnet werden. Im Zweifel ist er hierzu gem. § 139 ZPO zu befragen. Lehnt er die Einschränkung ab, kommt sein Beiordnung in der Regel nicht in Frage.

3) Hat das Arbeitsgericht einen auswärtigen Anwalt einschränkungslos beigeordnet, bieten weder § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO, noch auch § 126 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. BRAGO eine Handhabe, den Vergütungsanspruch des Anwalts um die nach § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO erforderlichen Reisekosten zu kürzen.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 2 S. 2; BRAGO §§ 122, 126

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Beschluss vom 19.02.1999; Aktenzeichen 7 Ca 929/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Aachen in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 19.02.1999 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Der in A ansässige und bei einem Aachener Arbeitgeber beschäftigte Kläger ließ durch eine in B ansässige Rechtsanwältin Klage beim zuständigen Arbeitsgericht Aachen erheben. In der Klageschrift beantragte die Prozessbevollmächtigte auch, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung zu bewilligen. In dem Prozesskostenhilfeantrag erläuterte sie, warum der Kläger sie und nicht einen Rechtsanwalt aus A beauftragt habe. Mit Beschluss vom 09.03.1998 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger „Prozesskostenhilfe im vollem Umfang” und ordnete dem Kläger die von ihm beauftragte Anwältin bei. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgte „mit der Maßgabe, dass der Kläger aus seinem Einkommen keine Raten zu zahlen hat”. Auf den vollständigen Beschlussinhalt (Bl. 7 PKH-Heft) wird Bezug genommen.

Das Verfahren in der Hauptsache endete durch rechtskräftigen Vergleich im Kammertermin, nachdem ein vorangegangener Gütetermin zunächst gescheitert war.

An beiden Terminen nahm die beigeordnete Anwältin teil.

In den Kostenfestsetzungsantrag vom 03.08.1998 stellte die Klägervertreterin auch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung der beiden Gerichtstermine in einer Gesamthöhe von 247,20 DM zuzüglich Mehrwertsteuer ein. Diesen Betrag setzte der Rechtspfleger in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.11.1998 zunächst ab. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägervertreterin erging der oben angesprochene Abhilfebeschluss vom 19.02.1999. Gegen diesen wendet sich nunmehr die Staatskasse mit ihrer Beschwerde vom 10.03.1999.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde der Staatskasse ist gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die Klägervertreterin kann die Erstattung der von ihr geltend gemachten Reisekosten inklusive Abwesenheitsgeld aus der Staatskasse verlangen. Dies folgt ohne weiteres aus § 121 i. V. m. §§ 28, 126 BRAGO. Eine gesetzliche Rechtfertigung dafür, der Klägervertreterin die Erstattung dieser Kosten zu versagen, besteht nicht. Sie kann insbesondere weder aus § 121 Abs. 2 S. 2 ZPO noch aus § 126 Abs. 1 BRAGO hergeleitet werden.

a) Der Anspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse bestimmt sich gemäß § 122 Abs. 1 BRAGO nach dem Beschluss, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der Bewilligungsbeschluss ist die Kostengrundentscheidung für die Vergütungsfestsetzung, die sich – ausschließlich – nach den §§ 121 ff. BRAGO richtet (Egon Schneider, Anm. zu LAG Bremen LAGE § 121 BRAGO Nr. 3). Soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zur Vermeidung von Mehrkosten im Sinne von § 121 Abs.2 S.2 ZPO eingeschränkt werden, etwa durch Beiordnung eines auswärtigen Anwalts „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts”, dann muss sich dies bereits aus dem Beiordnungsbeschluss ergeben (LAG Bremen LAGE § 121 BRAGO Nr. 3; Egon Schneider a. a. O.; Kalthoener/Büttner, PKH und Beratungshilfe, Rdnr.578; insoweit a.A.: Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 121 Rdnr. 12 m.w.N.).

b) Der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 09.03.1998 enthält keinerlei wie auch immer geartete Einschränkungen der Beiordnung der in B ansässigen Klägervertreterin. Im Gegenteil wird in dem Beschluss Prozesskostenhilfe ausdrücklich „in vollem Umfang” bewilligt.

aa) Insbesondere lässt sich dem Bewilligungsbeschluss in keiner Weise entnehmen, dass das Arbeitsgericht die vom Kläger ausgewählte, in B ansässige Anwältin nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beiordnen wollte. Ein solcher konkludenter Beschlussinhalt könnte zwar im Wege der Auslegung auch ohne ausdrückliche Erwähnung unter Umständen dann angenommen werden, wenn bereits der Antrag auf Beiordnung des auswärt...

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