Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariffähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt ist eine tariffähige Vereinigung und kann als solche für seine Verbandsmitglieder Tarifverträge abschließen. Der Tariffähigkeit steht nicht entgegen, dass der Wille des Bundesverbands, für sich und seine Mitglieder verbindlich Tarifverträge abzuschließen, weder in der Satzung noch im Verbandsstatut ausdrücklich erwähnt ist.

 

Normenkette

TVG § 2 Abs. 1; BGB § 33 Abs. 1, § 57

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Beschluss vom 23.09.2003; Aktenzeichen 6 BV 83/03)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 6) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.09.2003 – 6 BV 83/03 – wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit des Antragsgegners und Beteiligten zu 7) im Sinne von § 2 Abs. 1 TVG, hilfsweise begehren die Antragsteller und die Beteiligten zu 1) bis 6) – sechs Untergliederungen des Antragsgegners in den neuen Bundesländern – die Feststellung, dass der Antragsgegner jedenfalls für sie keine Tarifzuständigkeit besitzt.

Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen Spitzenverband – Bundesverband – der freien Wohlfahrtspflege in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Dieser wird gebildet von Ortsvereinen, Gemeinde- bzw. Stadtverbänden, Kreisverbänden, Bezirksverbänden und Vereinigungen auf Landesebene; er ist die Zusammenfassung der Landesgliederungen und Bezirksverbände. Der Bundesverband repräsentiert den Gesamtverband, er vertritt die Arbeiterwohlfahrt auf Bundesebene, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und international.

Nach § 2 der Satzung ist Zweck des Verbandes unter anderem die vorbeugende helfende und heilende Tätigkeit auf allen Gebieten der sozialen Arbeit, der Jugendhilfe und des Gesundheitswesens (Ziffer 1), die Anregung und Hilfe zur Selbsthilfe (Ziffer 2), die Förderung ehrenamtlicher Mitarbeit (Ziffer 3) und anderes. Unter Ziffer 15 heißt es: „Förderung der Gliederungen und deren Aufgaben, insbesondere durch Zuwendungen und Darlehen”. Nach § 6 der Satzung sind Organe des Bundesverbandes die Bundeskonferenz, der Bundesvorstand und der Bundesausschuss. Die Zuständigkeiten der Bundeskonferenz sind in § 7, die des Bundesvorstandes in § 8 und die des Bundesausschusses in § 9 geregelt. § 9 Abs. 4.2 Unterabsatz der Satzung lautet:

Der Bundesausschuss beschließt – soweit nicht die Bundeskonferenz zuständig ist – über Angelegenheiten, die für den Gesamtverband bindend sind, insbesondere über: Ausführungsbestimmungen zum Verbandsstatut. Dies sind insbesondere … Tariffragen.

In § 12 der Satzung ist bestimmt, dass das Verbandsstatut der Arbeiterwohlfahrt in seiner jeweils gültigen Fassung Bestandteil der Satzung ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzungsregelungen wird auf Blatt 25 – 30 d. A. Bezug genommen.

Im Grundsatzprogramm der Arbeitwohlfahrt aus dem Jahre 1998 heißt es unter Ziffer 4.4:

… Aufgaben des Bundesverbandes … Verhandlung und Abschluss von Tarifverträgen.

das Verbandsstatut ist als Satzungsinhalt im Vereinsregister eingetragen, in der Fassung des Jahres 2002 lautet es:

„VI Bundesverband

… Die Bundeskonferenz ist höchstes Organ der Arbeiterwohlfahrt. Ihre Beschlüsse zu bundespolitischen Aufgaben und zur Wahrung der Einheitlichkeit des Gesamtverbandes sind verbindlich für alle Gliederungen. Dies umfasst vor dem Hintergrund des politischen Selbstverständnisses der Arbeiterwohlfahrt auch die einheitliche Regelung der tariflichen Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gliederungen der Arbeiterwohlfahrt …”

Der Antragsgegner hat mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in der Vergangenheit wiederholt Tarifverträge abgeschlossen. Die Antragsteller traten dem Antragsgegner nach der Wiedervereinigung am 10.11.1990 bei. Mit den Beitritten aus den neuen Bundesländern wurde im Jahre 1990 ein Koordinierungsausschuss gegründet. Hinsichtlich bestehender Tarifverträge wurde in der konstituierenden Sitzung vom 02.03.1991 folgendes festgelegt:

„Der alte Rahmenkollektivvertrag wird zeitweise noch angewandt. Ziel ist es, den AWO-Bundesmanteltarifvertrag in der Zukunft für alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Es wurde ein Unterausschuss der Tarifkommission gebildet, der sich mit Problemen der Tarifgestaltung und der Anwendung des AWO-Tarifvertrages in den Beitrittsländern befassen wird.”

Im Tarifvertrag vom 02.01.1990 ist über den Geltungsbereich der bei der Arbeiterwohlfahrt bestehenden Tarifverträge folgendes vereinbart:

„Die zwischen den Tarifparteien abgeschlossenen Tarifverträge finden auf Angestellte, Arbeiter und zu ihrer Ausbildung Beschäftigte bei der Arbeiterwohlfahrt in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie im Ostteils Berlins bis auf Weiteres keine Anwendung.”

Am 25.03.1991 schlossen die Gewerkschaften ÖTV und der Antragsgegner einen Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifvertragliche Vorschriften BMT-AW-O. Dieser wurde wie folgt unterzeichnet:

„Für die Arbeit...

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