Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelbefristung: Unbefristetes Arbeitsverhältnis bei Fortführung über den Termin der Zweckerreichung hinaus

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arbeitsverhältnis aus Gründen der Vertretung befristet „für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft XY” (Zweckbefristung), so entfällt der Sachgrund der Vertretung mit dem Tod des vertretenen Beschäftigten XY. Aus dem befristeten Beschäftigungsbedarf wird ein unbefristeter Beschäftigungsbedarf.

2. Verstirbt bei einer Doppelbefristung „für die Dauer der Erkrankung des XY / längstens bis zum 31.01.2009” die vertretene Lehrkraft einige Monate vor Erreichen des 31.01.2009 und führt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gleichwohl bis zum Erreichen des 31.01.2009 fort, so gilt das Arbeitsverhältnis gemäß § 15 V TzBfG als auf unbestimmte Zeit verlängert. Es endet nicht mit dem Erreichen des 31.01.2009.

3. Der Argumentation, die Regelung des § 15 V TzBfG sei in Fällen der Doppelbefristung als abbedungen anzusehen, steht das Abweichungsverbot des § 22 I TzBfG entgegen.

4. Gegen die im Schrifttum befürwortete teleologische Reduktion des § 15 V TzBfG in Fällen der Doppelbefristung spricht, dass so dem Arbeitgeber die Entscheidungsalternative eröffnet wäre, das Arbeitsverhältnis trotz Wegfalls des Befristungsgrundes ohne begleitenden Sachgrund befristet fortzuführen.

 

Normenkette

TzBfG § 15 V, § 22 I

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2237/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.06.2011; Aktenzeichen 7 AZR 6/10)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 12.05.2009 – 3 Ca 2237/08 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die im Juni 2008 vereinbarte Befristung seines Arbeitsvertrages auf den 31.01.2009.

Der Kläger ist am 20.07.1950 geboren. Er ist Dipl.-Biologe und war längere Zeit in der freien Wirtschaft tätig. Nach einer Tätigkeit bei der R4-B2 B3 GmbH ist er seit September 2007 wiederholt auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge als angestellter Lehrer im Schuldienst des beklagten Landes tätig. Die ersten befristeten Arbeitsverträge erstreckten sich vom 03.09.2007 bis zum 31.01.2008 und vom 01.02.2008 bis zum 25.06.2008.

Den dritten befristeten Arbeitsvertrag unterzeichneten die Parteien im Juni 2008. Das beklagte Land wurde durch die Bezirksregierung Münster vertreten. § 1 und § 2 dieses Arbeitsvertrages lauten:

§ 1

Herr R1 K1 wird ab 26.06.2008 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Pflichtstunden befristet eingestellt.

Das Arbeitsverhältnis ist befristet für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft R1 R5, längstens bis zum 31.01.2009.

§ 2

Für das Arbeitsverhältnis gelten

  1. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länger (TV-L),
  2. der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in der TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie
  3. die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen,

in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Nordrhein-Westfalen jeweils gilt.

Auf das Arbeitsverhältnis finde § 21 Absatz 1 bis 5 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Anwendung.

Nach § 3 des Arbeitsvertrages ist der Kläger in die Vergütungsgruppe 11 TV-L eingruppiert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die eingereichte Kopie verwiesen (Bl. 4,5 GA).

Der Lehrer R1 R5 verstarb am 06.07.2008 während der Sommerferien. Der Kläger nahm nach den Sommerferien auf der Grundlage des Vertrages vom Juni 2008 die Tätigkeit an der F1-W4-Gesamtschule in A1 auf.

Am 08.11.2008 ist die Befristungskontrollklage gegen die Befristung des Arbeitsvertrages auf den 31.01.2009 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangen.

In der Folgezeit schloss der Kläger mit dem beklagten Land, jeweils vertreten durch die Bezirksregierung Münster, weitere befristete Arbeitsverträge:

  • Januar 2009: ab 01.02.2009 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Pflichtstunden befristet für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft E1 G1, längstens bis zum 01.07.2009;
  • Januar 2009: ab 01.02.2009 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 11,5 Pflichtstunden unter „Nutzung von nichtbesetzten Stellenanteilen” bis zum 01.07.2009.
  • Für das erste Schulhalbjahr 2009/2010:

    Vom 04.09.2009 bis 14.10.2009 mit 11,5 Stunden;

    vom 14.08.2009 bis 29.01.2010 über 14 Stunden

    (Protokoll vom 29.10.2009, Bl. 85 GA).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, durch die weitere Beschäftigung über die Dauer der Erkrankung des Herrn R5 hinaus, die mit dessen Tod geendet habe, sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Unter Beachtung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Doppelbefristung hätte das Arbeitsverhältnis kurzfristig nach dem Tod der vertretenen Lehrkraft R5 beendet werden ...

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