Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen wiederholter Nichtteilnahme an vom Arbeitgeber angesetzten dienstlichen Gesprächen

 

Leitsatz (amtlich)

Es kann einen Grund für den Anspruch einer ordentlichen Kündigung darstellen, wenn ein zuvor einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer ein dienstliches Gespräch mit dem Vorgesetzten verweigert, weil der Arbeitnehmer derartige Gespräche nur in Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds zu führen gewillt ist (Einzelfallentscheidung).

 

Normenkette

KSchG § 1; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 08.07.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1961/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 08.07.2015 - 4 Ca 1961/14 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung aufgelöst wurde, die die Beklagte auf Gründe im Verhalten der Klägerin stützt.

Die Klägerin, geboren 1954, war seit dem 01.04.2011 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Mitarbeiterin im Bereich Jugendhilfe beschäftigt. Die Jugendhilfe der Beklagten betreut mit etwa 20 Beschäftigten zwei Eltern-Kind-Wohngruppen. Vorgesetzte der Klägerin war Frau L als Wohngruppenleiterin. Vorgesetzte von Frau L ist die Pädagogische Leiterin Frau T. Geschäftsleiterin der Beklagten ist Frau C. Die Klägerin war zuletzt für die Betreuung der Kinder von Müttern und Vätern zuständig, die der Beklagten anvertraut waren. Dabei stand ihr ein gewisser Handlungsspielraum in Bezug auf die Koordination ihrer Arbeit im Team oder im Hinblick auf die Arbeit mit einem Kind zu. Die Arbeitszeiten der Klägerin richten sich nach Dienstplänen, die monatlich im Voraus erstellt und von Frau T freigegeben werden. Es ist üblich, dass die Mitarbeiter, um spätere Änderungen oder Korrekturen zu vermeiden, vor Erstellung der Dienstpläne in einer Liste angeben, an welchen Tagen sie sich Nachtdienste wünschen und an welchen Tagen sie sich "frei" wünschen.

Die Beklagte sah sich veranlasst, gegenüber der Klägerin mehrere Abmahnungen auszusprechen.

Am 30.08.2012 erhielt die Klägerin eine Abmahnung (Ablichtung Bl. 49 f. der Akten), in der ihr vorgeworfen wurde, sie habe anlässlich der Vorstellung eines Kindes bei der Notfallsprechstunde dem behandelnden Arzt die Schweigepflichtentbindung der Mutter und die Krankenversichertenkarte des Kindes nicht vorgelegt und habe im Hinblick auf diesen Vorfall bei anschließenden Teamsitzungen keine ausreichenden Informationen erteilt. Die Klägerin nahm unter dem 06.10.2012 schriftlich zur Abmahnung Stellung (Ablichtung Bl. 68 f. der Akten).

Mit Schreiben vom 24.06.2014 (Ablichtung Bl. 51 f. der Akten) erteilte die Beklagte der Klägerin erneut eine Abmahnung; der Klägerin wurde vorgeworfen, die Teilnahme an einem Gespräch verweigert zu haben. Diese Abmahnung hatte folgenden Hintergrund: Aus Sicht der Beklagten bestanden im Frühjahr 2014 Probleme bei der Koordination der Tätigkeiten der Klägerin. Die Beklagte forderte deshalb die Klägerin auf, ein Lösungskonzept zu erarbeiten. Hierüber fand am 16.05.2014 ein Gespräch zwischen der Klägerin und Vertretern der Beklagten statt, an dem auch ein Betriebsratsmitglied teilnahm. In der Folge bat die Klägerin um ein weiteres Gespräch. Mit Schreiben vom 03.06.2014 lud Frau T die Klägerin zu einem gemeinsamen Gespräch mit Frau L und dem Betriebsrat auf den 16.06.2014 um 13.00 Uhr ein. Es stellte sich heraus, dass die Betriebsratsvorsitzende L1 zu diesem Termin verhindert war. Deshalb baten sowohl der Betriebsrat als auch die Klägerin um Verlegung des Termins, obwohl ein anderes Betriebsratsmitglied die Klägerin hätte begleiten können. Mit E-Mail vom 13.06.2015 erklärte die Pädagogische Leiterin T, dass der Termin bestehen bleibe, jedoch zeitlich auf 15.00 Uhr verlegt werde. An dem Gespräch sollte - wie die Klägerin erst unmittelbar zuvor erfuhr - auch die Geschäftsleiterin Frau C teilnehmen. Im Ergebnis nahm die Klägerin den Gesprächstermin nicht wahr. Im Abmahnungsschreiben rügte die Beklagte u.a. das Folgende:

"Aus unserer Sicht haben Sie um ein Gespräch gebeten. Zu diesem Gespräch wurden Sie unmissverständlich während Ihrer geplanten Arbeitszeit durch die Geschäftsleitung gebeten. Damit war dieser Termin eine vom Arbeitsrecht gedeckte Anweisung zur Verrichtung einer bestimmten Tätigkeit. Gern haben wir, obwohl der Betriebsrat bei solchen Maßnahmen keine vom Betriebsverfassungsgesetz gedeckten Mitwirkungsrechte hat, das Beisein eines BR-Mitglieds akzeptiert. Ihre Verweigerung den ordnungsgemäß geplanten Termin nicht wahrzunehmen hat den betrieblichen Ablauf erheblich gestört und Kapazitäten unnötig gebunden. Ihre Verweigerung eine in den betrieblichen Ablauf passende Planung ihres Einsatzes vorzunehmen und sich an diesem Plan zu halten, stört den betrieblichen Ablauf ebenso...

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